Interview

BONAPARTE

Statt auf zirkusartige Bühnen-Performance und kreatives Durcheinander setzt Bonaparte mit dem fünften Album auf entspannte Indie-Pop-Sounds und durchdachtes Songwriting, ohne dabei den typischen Signature-Sound einzubüsen. Das mag für Fans von Pogo-Hymnen wie „Anti Anti“ erst einmal ungewöhnlich klingen, entfaltet beim Zuhören aber voll und ganz seinen Zauber – und „angepasst“ ist zum Glück immer noch das völlig falsche Wort für den Sound des Songwriters. Inwiefern seine Familie an derProduktion des fünften Albums beteiligt war und wer eigentlich hinter dem Titel „The Return Of Stravinsky Wellington“ steckt, hat uns der sympathische Schweizer Tobias Jundt im Gespräch verraten:

„The Return Of Stravinsky Wellington“ hebt sich klar von seinen Vorgängern ab. Wie kam es zu dieser neuen Richtung?
Ich habe ja vier, fünf Alben an High-Energy- Songs, die ich spielen kann und die auch Spaß machen. Aber ich hatte bisher als Bonaparte keine Platte gemacht, die ich auch in ruhigeren Momenten oder fernab der Bühne so wirklich anhören möchte. Im ganzen Soundbild sind einfach viel mehr Ebenen drin und man kann viel mehr eintauchen. Die Platte ist auch viel weniger ironisch. Ich glaube wir sind in der Welt gerade in eine Post-Irony-Phase eingetreten und dementsprechend ist sie etwas geradliniger in den Aussagen. Es ist weniger um die Ecke gesprochen und ich sage mehr, was emotional wirklich Phase ist. Früher habe ich eher um zwei Ecken herum getextet. Als ich vor elf Jahren begann, Bonaparte zu sein, war meine Ansage an mich, dass ich als Bonapart das tue, was sich für mich gerade richtig anfühlt und so ist auch diese Platte entstanden. Sie ist aber eigentlich auch gar nicht so weit weg von „Too Much“, in ihrem Entstehungsprozess ist sie fast deckungsgleich – nur eben zehn Jahre später. Da ist die Welt anders und der Mensch auch

Wie sah der Entstehungsprozess aus?
Der fand in Berlin, an vielen Orten in Neuseeland – die Bläser hab ich mit Fat Freddy’s Drop aufgenommen – und in New York statt. Immer, wenn ich Platten mache, zieh ich mich zurück oder reise herum, schreibe, nehme auf und wen ich dann gerade treffe, nehme ich hier und da als Gäste mit rein. Meine Platten waren eigentlich immer das Gegenstück zu einer Liveshow, bei der ich Leute um mich sammle und eine neue Truppe auf den Bandwagen schmeiße. Die Platten entstehen eigentlich eher in der stillen Kammer und auf Reisen. Das waren diesmal aber lustigerweise sehr ähnliche Orte wie bei der ersten Platte.

Deine Auftritte waren bisher immer von einer unfassbaren Energie geprägt. Wie darf man sich die aktuelle Platte live vorstellen?
Diesen Sommer spiele ich sehr wenig. Ich habe bisher über 500 Shows gespielt und war die ganze Zeit auf Achse. Jetzt spiele ich nur noch sehr exklusiv wenn ich Lust habe. An meinem Geburtstag spielen wir in Berlin eine Clubshow und das ist glaube ich auch die einzige Clubshow für dieses Jahr. Ich merke einfach, wenn ich jeden Tag im Studio bin und Songs schreibe, dass ich dann in dem Bereich einen riesen Output habe – ich hab quasi schon die nächste Platte fertig und das ist auch was Schönes. Die Gigs, die wir jetzt zur aktuellen Platte spielen, spiele ich mit zwei Schlagzeugern und drei Bläsern, das ist auch was ganz Neues, dass da Posaunen auf der Bühne gespielt werden. Klar, auf „The Return Of Stravinsky Wellington“ hat es ja auch in jedem Song Bläser. Bisher haben wir ja noch nicht gespielt, aber es sieht so aus als wenn wir die erste Hälfte nur ruhige, neue Songs spielen und in der zweiten dann auf den Putz hauen, weil das ja auch Spaß macht. Ich glaube wer dieses Jahr keinen Gig hört wird nächstes Jahr schon wieder etwas anderes hören. Da muss man am Ball bleiben! (lacht)

„EINFACH AUF DEN INNEREN STRAVINSY WELLINGTON HÖREN“

Ein besonderer Bühnenmoment, der dir im Kopf geblieben ist?

Da gibt es so viele schöne Momente. Es sind natürlich die Gigs, die irgendwie anders sind, die rausstechen. Zum Beispiel einmal – ich glaube in Stuttgart … Ja genau, im Longhorn! Ich hatte an dem Tag so einen Magenkrampf, dass ich nicht stehen konnte. Ich habe aber noch nie eine Show gecancelt und hab gesagt: Leute, ich mach mir einen Stuhl auf die Bühne und sitz einfach. Das war noch die High-Energy-Phase. Dann habe ich eben zwei Stunden auf diesem Stuhl gesessen, den Gig gespielt und gesungen. In Stuttgart gibts ja noch viel, zum Beispiel den Keller Klub. Da haben wir ein paa rmal gespielt und klar, das Stuttgart Festival, wo der Wind so krass war und ein Jahr darauf, hätte ich als Mule & Man mit Kid Simius, dem Elektroprojekt von mir, gespielt, aber das wurde dann leider abgesagt. An Stuttgart hab ich viele gute Erinnerungen, Himmel was gab´s denn da noch… Ich muss mal nachschauen.

Auf jeden Fall ein gutes Gedächtnis!
Es ist absurd, man erinnert sich dann irgendwie am Ende doch immer daran.

Meistens braucht man ein Codewort und dann kommt wieder alles.
Genau. Für das Interview hab ich alles dabei (lacht), ich versuch hier gerade auf meiner Liste nachzuschauen. Achtung, also sieben mal haben wir in Stuttgart gespielt. Das geht ja noch! LKA-Longhorn, Wagenhallen, Keller Klub, irgendwelche Housepartys und bei den Orsons Zuhause. Richte den Orsons übrigens liebe Grüße aus!

„Fuck your Accent” hast du ja gemeinsam mit deiner Frau geschrieben …
Ja, sonst hätte ich ja nur Probleme mit so einem Lied wenn ich nach Hause komme (lacht).

Gut mitgedacht! Wie war es gemeinsam mit einem so vertrauten Menschen einen Song zu schreiben?
Also wenn jemand deine Muse ist, dann macht man es ja eigentlich auch so schon zusammen. Diesmal haben wir gesagt, lass uns mal offiziell zusammensitzen. Sie hat halt eine tolle Idee und sagt mir dann: Hey, ich hab eine Melodie dazu geschrieben oder ich hab eine Idee wie man den Song machen könnte. Es gibt eben Songs auf der Platte, bei denen es total um das Gefühl von Familie und Verwandtschaft geht. Es ist auch nichts Ironisches oder irgendein Sarkasmus, es ist einfach dieses Gefühl von nach Hause kommen. Das Lied ist von der Autofahrt dahin, an den Ort. Es kann auch eine selbstgebastelte Verwandtschaft oder eben ein Ort sein. Es geht darum wohin du gehst, wenn die ganze Scheisse gegen den Ventilator knallt oder wer dann noch für einen da ist. Es gibt halt so Songs, bei denen ist zwischen den Worten und der Emotion, dem tatsächlichen Gefühl, keine große Wegstrecke oder ein Übersetzungszwang, wie bei den anderen Bonaparte-Liedern. Die konnte man auf verschiedensten Ebenen hören und man wusste immer noch nicht was der Mensch dahinter gedacht hat. Bei dieser Platte – und das erklärt auch ein wenig den Album-Titel – fand ich, dass die Welt gerade so direkte Ansagen und Emotionen braucht. „Stravinsky Wellington“ ist ja eine meiner Katzen, aber auch ein Synonym für das innere Tier oder die innere Katze. Dass man die Emotionen eben so in den Raum stellt, wie sie sind. Ich versuch auf der Platte zum Beispiel auch gar nicht cool, zeitgemäß oder hip zu sein.

„TANZ EINFACH MAL WIE DEIN INNERES TIER“

Katzen spielen ja auch eine große Rolle …
Ja genau, Katzen haben ja eine richtig krasse Empathie. Wenn jemand fünf Stockwerke tiefer an die Tür herantritt, spüren die es oben und bei einem schlechten Tag spüren sie es genauso, die Empathie ist eben sehr ausgeprägt, obwohl sie nicht sprechen können. Gleichzeitig tun sie das worauf sie Lust haben und wenn ein kleiner Streifen Sonne am Boden ist, dann genügt ihnen das und sie legen sich da hin. Jeder hat wahrscheinlich ein anderes Tier in sich drin und ich glaube das tut nicht schlecht.

Jeder sollte ein wenig Katze in sich haben.
Einfach auf den inneren Stravinsy Wellington hören! Es gibt auch ein Lied aus seiner Sicht “Hey (is for Horses)” und ist aus seinem Blickwinkel. Da hat er einen guten Tag, geht bisschen raus und pfeift anderen Katzen hinterher.

Wie heißt deine andere Katze?
Die heißt Minsky Wellington, das sind Zwillinge.

Das nächste Album heißt dann „The Return of Minsky Wellington”?
Nee, der Minsky ist total faul, hat ein Herzproblem und ist sehr dick. Er liegt die ganze Zeit nur rum und hört Musik. Ein total angenehmer Zeitgenosse, aber der geht nirgends hingeht und sich wenig interessiert. Wenn zum Beispiel DJ Hausmeister mit seinem Hund vorbei kommt, dann faucht der Stravinsky den an. Und Minsky weiss garnicht was das soll und läuft daran vorbei. Die beiden sind ganz verschieden. Ich hab morgens durch mein Fenster mal ein lautes Miauen gehört und Stravinsky war dann einfach die ganze Nacht auf dem Dach und hat irgendwelchen Vögeln nachgejagt. Er ist schon ein Abbild von mir, es war schnell klar, dass er meine innere Katze ist oder ich sein innerer Mensch. Diesen Albumtitel kann man auf verschiedenen Ebenen interpretieren.


The Return of Stravinsky Wellington ist am 02. Juni erschienen – mehr von Bonaparte auf bonaparte.cc

Im Video führst du einen kurzen Balztanz vor – habt ihr ihn den von den Vögeln abgeschaut?
Ich tanz total gerne, mach das aber immer nur privat. Ich hab auf dem Sportplatz einfach ein bisschen abgespackt und lustigerweise sieht es so aus wie ein
Tier. Tanz einfach mal wie dein innere Tier, es macht total Spaß und du wirst ist der einzige auf der Tanzfläche der dann „Original Moves” hat und alle sagen: Wow, welchen Tanzkurs hat die denn besucht. Es ist ganz anders, wenn man den inneren Vogel rauslässt. Der Song „Fuck your Accent” rettet eigentlich die Welt. Wenn wir auf der symbolischen, philosophischen Ebene schauen, was das eigentlich heißt, ist es ja das Andersartige, Fremde und Umarmende und eigentlich noch viel mehr als das Umarmende Lied. Wenn alle Menschen die Moves verspüren würden, dann wäre die Welt ein besserer Ort und keinen Fremdenhass mehr haben. Es war mal an der Zeit, so ein Lied zu schreiben.

Famous last words?
Mein Liebling ist immer Erich Kästners „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es”. Find ich gut in der heutigen Zeit, in der Menschen in vielen Belangen sehr viel weniger aktiv tun. Sprich, von Hand schreiben oder zeichnen, raus gehen und Dinge zusammenbrettern, weil sie ja schon viel computergestützt werden.

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