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Plattform #91: Le Le Le – Lethargie von Christoph „Marz“ Schwarz

Zugegeben, ich bin es überdrüssig. Dieser Zeit, den Nachrichten, jeglichem Gespräch, diesem Text, jeder einzelnen Vire. Schon allein, den Wiki-Artikel zu „Lethargie” gegoogelt, gefunden und fast zur Hälfte gelesen zu haben, buche ich guten Gewissens unter Tagwerk ab.

Nach getaner Arbeit gehe ich zu Bett, träume stolz vor mich hin und bin mir sicher, morgen (oder nach Neujahr) einen neuen Alltag, in dem kein Mensch Interesse an einem weiteren Text zur Coroner-Situation haben wird, begrüßen zu dürfen. Denkste! Ich bin wach, neues Jahr, gleiche Zeit, gleiche Nachrichten, gleiche Gespräche (wenn überhaupt) und immer noch keine Muse, diesem Schlamassel etwas Positives abgewinnen zu können. Geschweige denn, dies in einen sinnvollen, lebensbejahenden Text zu verschachteln. Meine Mitmenschen haben sicher ebenso großes Interesse wie ich, sich erneut gefährlichem Halbwissen von jemand auszusetzen, der nicht einmal ansatzweise so aussieht wie Dr. Drosten. Außerdem sind die alle selbst groß und kommen sicher supergut allein zurecht. Dann schalte ich den Fernseher ein …

Man sollte doch meinen, dass knapp ein Jahr reichen sollte, um Körper, Geist und Alltag diesen Lebensumständen anzupassen. Doch verrückterweise sieht man noch immer zahlreiche Körper hoch motiviert – aus welchen Gründen auch immer – umher geistern, statt einfach mal zu sitzen. Einfach so. Ohne Mission. Und in erster Linie auch ohne Risiko. Für sich inklusive aller anderen Mitmenschen sowie deren Mitmenschen und auch deren, usw. Man sollte doch auch denken, dass es ein Einfaches ist, den Anweisungen, die bis zu einem gewissen Punkt sehr simpel waren, Folge leisten zu können. Desto weniger ich dies tue und draußen rumschniefe, desto länger dauert der ganze Quatsch – oder versteh ich da was falsch?

Man sollte auch zur Annahme kommen, dass dies jedem mittlerweile äußerst leicht fallen sollte. Also einfach missionslos zu sitzen. Nach all den Monaten der anfänglichen Skepsis (wahlweise des Shoppingwahns). Dem Wunschdenken, einfach mal mehr Glück zu haben als vergangene Generationen mit ihren komischen Weltkriegen, Pandemien oder Weltkriegen während Pandemien. Der herbstlichen Erkenntnis, dass unser Karma-Level dann doch nicht so geil ist, um den Schlamassel in einem Kalenderjahr geregelt zu bekommen. Daher nun doch mal wirklich Zeit zu haben, diese nicht zu nutzen und wiederum zu erkennen, dass es vielleicht gar nicht an schlechtem Zeitmanagement oder jemand anderem lag und liegt. Außer natürlich dem Chef, der nicht ins Homeoffice kann, äh will. Vor allem hatte ich Naivling bei eventuell bevorstehenden existenziellen Ereignissen – zu denen ich neben einem Kometeneinschlag, kriegerischen Auseinandersetzungen oder Kontakt zu anderen Lebensformen auch diese Pandemie zähle – immer die Hoffnung auf, sagen wir, Einsicht.

Und natürlich ordne auch ich nicht all meine täglichen Bedürfnisse unter und schleiche mich mal zum Rewe oder sogar in die Markthalle. Nur werde ich verflixt nochmal das Gefühl nicht los, dass jegliche Empathie, Solidarität oder das so wichtige Wir-kommen-doppelt-so-gut-zurück-Gefühl einer lähmenden Lethargie oder im schlimmeren Falle boshaftem Trotz gewichen sind. Oder denkst du ernsthaft, Spahni sitzt zuhause mit Schrotflinte auf einem Haufen Impfdosen und kommt deswegen nicht mehr raus auf den Balkon zum Klatschen?

Nochmals, ich bin es überdrüssig. Irgendein Rapper hat mal gesagt „meine Zeit ist knapp bemessen“ (und anschliessend was über deine Mutter). Ich gebe ihm da Recht, zumindest mit Ersterem. Die Zeit ist gerade zwar etwas fülliger vorhanden, mir aber immer noch viel zu schade, um Schuldige zu suchen, keine Maske zu tragen oder zu spekulieren, wann und ob auch alle ihren Lethargie-Kater möglichst schnell in Pflege geben, wenn die Türen sich mit gutem Gewissen wieder öffnen können. Sie werden wieder aufgehen, ganz sicher. Selbiger Rapper sagte übrigens auch „ich seh’ die Dinge realistisch“. Also bleib ich bis dahin einfach hier sitzen und beobachte Bob Ross beim Malen. Bleibt gesund und kommt bitte alle wieder!

P.S.: Wer beide Süßigkeiten im Text findet, gewinnt einen Vorrat Karamell/Spekulatius 😉

 

 

Text © Christoph „Marz“ Schwarz

Normalerweise mit den Bixtie Boys auf der Bühne, bei Wirscheissengold im Studio oder im Stadion anzutreffen, hat sich der Rapper diesmal von Zuhause aus unserer Plattform gewidmet.

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PLATTFORM #89:
„How to Marie Kondō my Friendslist”

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Ein Gutes hatte der Shutdown: Unsere Buden sind so schön wie nie zuvor. Je länger wir in unseren eigenen vier Wänden herumgehangen sind und Staub von A nach B gewirbelt haben, umso klarer wurde uns, dass wir eigentlich zu viele Staubfänger besitzen. Dinge, die wir irgendwann schick oder sinnvoll fanden, die aber keins von beidem sind, und die wir trotzdem aufgehoben haben, weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist und ein faules obendrein.

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PLATTFORM #86:
„Ja zur Oper, Nein zur Oper”
Von Tobias Rückle

Tobias Rückle Plattform Stuttgart re.flect

Ja zu neuen Spielstätten! Nein zu ausufernden Bauprojekten. Die Sanierung der Oper wird im Frühling nächsten Jahres im Landtag und im Stuttgarter Gemeinderat entschieden. Dabei geht es weniger um die kulturelle Bedeutung der Oper, vielmehr herrschen allgemeine Zweifel bei Bauprojekten mit Milliarden-Volumen, die durch durch die öffentliche Hand finanziert werden.

Kein Wunder: S21 und BER sind bemerkenswerte Negativ-Beispiele, die für sich stehen. Und während die Elbphilharmonie als Kultureinrichtung in diesem Fall vielleicht einen besseren Vergleich bietet, betrugen auch hier die Baukosten mit rund 866 Millionen Euro letztlich etwas mehr als das elffache der ursprünglich mit 77 Millionen Euro angesetzten Summe.

Man wollte dieses Mal von Beginn an realistische Zahlen liefern, beteuert das Kultusministerium. Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein – bezeichnend also, dass sowas überhaupt beteuert werden muss. Abseits von der rationalen Betrachtung mit Hilfe von Zahlen, könnte die Diskussion über die Sanierung der Oper außerdem viel grundsätzlicher ausfallen: Kultur als allgemeines Gut beinhaltet natürlich die Oper, jedoch auch sehr viele andere kulturelle Einrichtungen.

Da mehr und mehr ein Bewusstsein dafür entsteht, dass wir auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen leben, gilt es, die vorhandene sinnvoll zu verteilen – besonders im Hinblick auf Flächen. Das zeigt auch die Tatsache, dass die Interimsoper auf dem Gelände der Containercity ihre temporäre Heimat findet. Eine Fläche, auf der viele unterschiedliche kulturelle Projekte beheimatet sind. Diese Entwicklung zeigt erstens, wie rar Flächen für kulturelle Institutionen und Projekte sind und zweitens, dass in der Kulturlandschaft mehr als nur die „Hochkultur“ anzutreffen ist. Wer eine vielfältige Kulturlandschaft will, darf den Fokus nicht nur darauf legen.

Dass die Oper an die Container City temporär angesiedelt wird und somit dort Flächen für andere Projekte fehlen, zeigt eindeutig die Priorisierung der Stadt. Zumal die Oper selbst die Fläche am alten Post Depot favorisiert. Positiv wäre es hingegen tatsächlich, wenn die Container City, wie kürzlich angekündigt, dauerhaft bleibt und irgendwann auch anderen kulturellen Institutionen und Projekten zugute kommt. Der Ausgang bleibt dabei aber noch offen. Das Flächenargument spricht hier für die Instandsetzung alter Flächen, damit der Stadt keine Bestandsflächen wegfallen. Die Frage ist nur: Mit welchem Aufwand? Sicherlich kann man die Instandsetzung auch mit geringeren Mitteln umsetzten, jedoch beinhalten die zuletzt kommunizierten Kosten bereits die sechs Jahre Betrieb der Interimsoper an der Container City.

Die aktuelle Diskussion sollte auch nicht nur um Geld gehen, sondern auch darum, wie Entscheidungsprozesse bei staatlichen Großprojekte ablaufen. Hoffentlich spielt dabei der Stuttgarter Gemeinderat eine angemessene Rolle, denn andere Großprojekte zeigen, dass diese stets auch den Alltag der Bevölkerung beeinflussen – sowohl positiv als auch negativ. Manche Fraktionen im Gemeinderat bringen daher eine Volksbefragung ins Spiel. Das hätte mitunter auch den Vorteil, dass ein Interesse des Landes und der Stadt an einem gesellschaftlichen Diskurs besteht – eine weitere Parallele zum defizitären Großprojekt S 21. Bisher ist jedoch keine Bürgerbeteiligung geplant.

Die Zustimmung des Gemeinderats ist ebenfalls fraglich, da die jüngsten Gemeinderatswahlen eine neue Zusammensetzung hervorgebracht hat: Der Gemeinderat ist jünger geworden und beheimatet mehr Parteien als zuvor. Ein Gewinn, da es mehr Pluralität in den Gemeinderat bringt. Vor allem, wenn es sich um Parteien handelt, die vor der Zeit im Gemeinderat schon viel bewegt haben, wie z .B. die Agenda Rosenstein: Auf fünf der insgesamt 85 Hektar könnte ein neues Quartier entstehen, das mit Beteiligung der unterschiedlichen Akteure, eben auch der Bevölkerung, geplant wird. Die Stadt wäre sogar Eigentümer, somit wäre die Fläche im Besitz der Bürger. Die Ironie dabei ist, dass die frei gewordenen Flächen Resultat des Großprojekts S 21 sind. Umso wichtiger, dass Teile dieser Flächen im Besitz der Bürger bleiben sollen.

Der Flächenzuwachs ist auch das eigentliche Geschäft im Kontext von S21 – sehr viel weniger defizitär als der Bau des Bahnhofs. Der Vollständigkeit halber muss gesagt werden, dass das Konzept der Agenda Rosenstein zwar viele namhafte Unterstützer hat, jedoch die Planung noch nicht fortgeschritten ist. Vielleicht wird sich irgendwann mal häufiger der Gedanke durchsetzen, dass die Beteiligung ALLER Akteure eines Projekts ebenso zu mehr Akzeptanz des Umgesetzten in der Bevölkerung führen könnte. So hätte man bei der letzten Odyssee vielleicht verhindern können, dass die Polizei mit Wasserwerfern einem älteren Mitbürger das Auge heraus sprüht …

Mit Blick auf vergangene und kommende Projekte bleibt zu sagen: Die Sanierung der Oper ist eine große Chance, Dinge anders zu handhaben als in der Vergangenheit. Denn die wenigsten sind gegen den Fortbestand der Oper – vielleicht möchte der Großteil einfach kein negatives Déjà-vu erleben.

TOBIAS RÜCKLE, Pressesprecher des Clubkollektiv Stuttgart e.V., DJ, Veranstalter und Teil der LOVEiT-Crew.

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PLATTFORM #83:
„WIRD STUTTGART WIEDER ERSTKLASSIG?”
VON MARIUS LEHNERT

discotronic Plattform Marius Lehnert reflect Stuttgart VfB

Der DJ und Produzent ist nicht nur mit seinen eigenen Eventreihen „Discotronic“ und „DEEPER!“ erfolgreich, sondern auch als Booker fürs Kowalski und das „Electric Baroque Open Air“ unterwegs. Wenn er nicht gerade im Stadion mitfiebert.

Der VfB Stuttgart ist abgestiegen. Mein VfB. Erste Bundesliga, ciao! Der triste Zweitligaalltag hat uns wieder. Obwohl wir diesen nach einem Jahr der Zugehörigkeit doch im Sommer 2017 in aller Euphorie des Wiederaufstiegs für immer in die tiefste Schublade des Vergessens gesteckt hatten.

Für einen langjährigen, glühenden VfB-Anhänger wie mich schwer zu verkraften. Schnöde Montagabendspiele gegen prüde Provinzmannschaften wie den SV Sandhausen oder Erzgebirge Aue statt Samstagnachmittage mit Hochkarätern wie Borussia Dortmund oder dem FC Bayern München.

Wobei wir Stuttgarter, die auch gerne mal am Wochenende den einen oder anderen Techno-Club besuchen, ja mittlerweile eigentlich Zweitklassigkeit gewohnt sind. Die glorreichen Zeiten sind vorbei: legendäre Läden wie der Club Prag und das alte M-1, die beide unabhängig voneinander europaweit große Namen waren, oder das Rocker 33, mehrfach unter die fünf besten Clubs Deutschland gevotet, gehören längst der Vergangenheit an. Manch inzwischen alter Hase träumt noch von dunklen Nächten voller Strobo und Nebel am Pragsattel oder von unvergessenen Morgenstunden im sandigen Innenhof einer alten Bahndirektion. Doch die harte Realität hat uns eingeholt: Viele Clubs sind verschwunden, einige wenige halten tapfer weiterhin unter erschwerten Bedingungen die Fahne hoch.

So auch die VfB-Anhänger, die unfassbar treu zu ihrem Club stehen, den vierthöchsten Zuschauerschnitt der gesamten Bundesrepublik generieren und sowieso ihren Verein ganz tief im Herzen tragen: „Des isch hald mei VaueffBeee!“. Erstklassig waren wir Fans schon immer und werden es auch immer sein. Aber wird es in Zukunft auch endlich wieder erstklassige Rahmenbedingungen geben, die uns traumhaft herrliche Tage wie den Gewinn einer deutschen Meisterschaft bringen wie 2007? Für mich ja immer noch der schönste Tag im Leben: erst Hitzlspergers Traumtor im Stadion frenetisch bejubeln, dort sowie später am Schlossplatz die Meisterschale begeistert beklatschen, um nachts noch ausgelassener als sonst im VfB-Trikot den Titelgewinn bei der „Neuen Heimat“ im Prag zu feiern – ach jaaa …

Womit wir wieder beim Clubleben wären. Auch hier hilft das Schwelgen in alten Erinnerungen nicht, es muss von allen Seiten angepackt werden. Und tatsächlich ist Hoffnung in Sicht: das 2012 gegründete Clubkollektiv, ein Zusammenschluss diverser Clubs und Veranstalter der Stadt (genreübergreifend!), gibt seit geraumer Zeit richtig Gas und hat bereits einiges bewegt. Podiumsdiskussionen vor der letzten Kommunalwahl, konkrete Termine mit Verantwortlichen – es tut sich was. Plötzlich sprechen sich alle politischen Parteien für einen Nachtbürgermeister aus, die Relevanz der Clubs und des subkulturellen Nachtlebens generell scheint bedeutender geworden zu sein. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann möchte nun sogar im Bundestag die Änderung eines Gesetzes dahingehend bewirken, dass Clubs in Zukunft nicht mehr auf eine Stufe mit Bordellen gestellt werden und somit auch in Randgebieten der Stadt gedeihen können (ja, bislang werden Clubs mit Bordellen und Spielcasinos gleichgesetzt und daher nur im Bezirk Mitte konzessioniert, was vieldiskutierte Probleme mit sich bringt – Stichworte: Anwohner, Lärm, Müll).

Die Mühlen fangen also scheinbar an, in unserem Sinne zu mahlen! Ob das auch für den VfB gilt? Man darf gespannt sein, wie der Meisterschafts-Torschütze von 2007, Thomas Hitzlsperger – heute Vorstand Sport – versuchen wird, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Sicher ist, dass ein Großteil der Versager-Mannschaft der vergangenen Saison gehen muss, um einen wirklichen Neuanfang zu stemmen. Alte Zöpfe werden also abgeschnitten, damit etwas Neues erwachsen kann. Ähnlich dem hiesigen Nachtleben: Auch hier müssen wohl erst viele Lokalitäten dicht machen und Gegebenheiten geändert werden, um dann wieder im alten Glanz zu strahlen, damit ganz Deutschland mit dem Finger aufs Ländle zeigt – und zwar nicht voller Hohn und Spott, sondern mit Bewunderung. Denn das mögen wir Stuttgarter ja ganz gerne; eine Stadt, auf die man stolz sein kann und die man gerne seine Heimat nennt.

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PLATTFORM #82:
„COMING HOME!?
VON CHRISTOPH „MARZ“ SCHWARZ

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Christoph „Marz” Schwarz, Bandleader bei „Marz & die Bixtie Boys“, Host und Mitveranstalter bei „Rapkessel“ & „Rapfilm“, Vorstand bei „Wü-Tem Clan e.V.“ und Bürger einer schönen Stadt.

Gestern meinte jemand in der U1 Richtung Süden: „Das Einzige, was mich hier noch hält, sind die Baustellen!“ Alle so: „Häh?“ Er direkt: „Ohne die würde ich hier wenigstens irgendwo raus finden!“ Alle so: „Brüller“. Ich so: direkt umgesetzt.

Ich kann es nicht mehr hören. Sämtliche Baustellenwitze, Bahnhofssprüche oder Bruddeleien geben zwar oft Stoff zum Dialog und Flachwitz, aber folgen doch nur einem Wunsch: dem zur Flucht. Und wohin? Und vor was? Und bin ich dabei ehrlich? Habe ich nicht nur einmal beim über einen Tapetenwechsel in eine viel angesagtere Stadt nachdenkend bemerkt: Auf der inneren Landkarte sind schon mehr Städte gestrichen, als US-Staaten für die Simpsons?

Hamburg? Voll schön, aber regnet halt immer. München? Voll schön, aber zu viel Bayern, sagt der Vater (und hat mit beidem recht). Berlin? Voll schön, aber da fühl ich mich nicht sicher (#Palmervoice). Frankfurt? Voll schön, aber nur Touristen. Köln? Duisburg? Das andere Frankfurt? Dein Ernst? Schwupp­di­wupp – bin ich zwar viermal umgezogen aber eben nur von West nach Süd, statt von Wangen an die Westcoast. Nun eben auch schon eine Dekade nicht den Weg aus meinem eigenen Charlottenplatz, also der einstigen Durchgangsstation, gefunden.

Klar, jedes Loch hat seine Verkehrsprobleme. Und Wohnmangel. Und Feinstaub. Und eben Baustellen. Und ………………….. (setze hier dein einmaliges, persönliches, lokales Promblemchen ein). Aber mal Eines: Die Stadt wird auch nicht cooler, wenn du jetzt weg ziehst! Ok, trifft jetzt vielleicht nicht auf dich oder mich persönlich zu, aber so allgemein halt 😉

Daher könnten Skeptikerfalten ruhig auch weiter hier ihre Skeptikerfalten bekommen. Ob nun gebürtig oder zugezogen, ist eben doch meistens nur so nett und „original“ wie die Menschen, die dieses Fleckchen Erde bewuseln.

Gehen wir mal davon aus, diese, unsere schöne Kleinstadt hier im Süden ist der erste, vielleicht zweite, Zwischensstop nach Verlassen des elterlichen Zuhauses in Affalterbach nach Kreuzberg oder so. Was, wenn die nächstgrößere Metropole ebenfalls zu übersichtlich wird? Dann Paris? Dann New York? Dann der Mond? Und überall nur Tourist(en). Denn, auch klar, jedes unserer in der Ferne glänzenden Wunschziele wird sowieso eher früher als später vom nächstbesten noch heller scheinenden Stern am Auswandererhimmel abgelöst. Gibt ja auch verdammt schöne Ecken. Wie soll ich mich denn zwischen einem bis sechs Sommern in Amsterdam oder in Barcelona entscheiden – in Konny Reimanns Namen?

Der Reiz nach Neuem und danach, mehr von einem Ort sowie einer Kultur zu ergattern, als durch einfaches Reisen möglich, ist ja dann doch oft ein mieser Gegner in der U1, denk ich mir und skippe von „Höha, schnella, weita.“ auf „Sky is the limit“. Drei Stationen noch und daheim lehn‘ ich mich jetzt erst mal weit aus dem Fenster zum Heusteigviertelhof, breche schwäbisches Dekret und behaupte: Wir haben es hier nicht nur nicht schlecht, sondern verdammt gut. Sonnenstunden, Kessellage, die nicht nur einheimische Küche und scheiße noch mal kurze Wege find‘ ich persönlich schon Zucker.

Also warum nicht einfach bleiben oder zurück kommen und nicht nur das Beste, sondern mal meinen/seinen/deinen Job gut und daher was noch Besseres draus machen, als wir hier sowieso schon haben.

Ich bleib‘ dann mal noch ein bisschen, vielleicht treff‘ ich dich ja auch noch irgendwo hier in der Gegend …

P.S.: … bevor ich nach Südfrankreich ziehe.

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PLATTFORM #81:
„JE SUIS SCHWIERIGES UMFELD“
VON THORSTEN WEH

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THORSTEN WEH: Geschäftsführer bei pulsmacher, Blogger bei Kessel.TV, DJ bei Territory Sound und heimlicher Fußballfan.

Ich glaube, meine Freunde denken, dass ich mich weniger für Fußball interessiere, als es tatsächlich der Fall ist. Man kommt ja auch nicht drum rum, wenn man irgendein soziales Umfeld hat, zumindest eine grundsätzliche Meinung zum Thema Fußball zu haben. Wenn die lautet „Ich interessier mich überhaupt nicht für Fußball“, kann es sein, dass man in einer gepflegten Small-Talk-Konversation in der Gruppe länger verstohlen aufs Handy spickelnd rumsteht als einem lieb ist und der Instagram-Stream hergibt.

Mein Trick: Wie bei jedem anderen Small-Talk-Thema (Autos, Wetter, Promis) reicht auch bei Fußball ein erschreckend geringes Maß an Grundwissen, um locker im Gesprächsfluss mitschwimmen zu können. Deshalb pflege ich, mit meinem Desinteresse eher hinter dem Berg zu halten und die fachkundigen Fußballmeinungen anderer mit „oh ja“, „kannsch vergessen“, „Alter!“ oder einem unbestimmten Kopfnicken zu kommentieren. Das funktioniert und fällt niemandem auf, probiert’s mal aus! Weiterlesen