Stuttgart-Archiv

Drei Fragen an … Christoph Michl

Die Karneval-Party-Demo-Vortrags-Straßenfestkombo CSD vom 19. bis zum 28. Juli ist eine der heißesten Sausen überhaupt im Kessel. Etwa 80 Einzelveranstaltungen rund ums Thema finden beim CSD 2013 statt, der am 27. Juni in der Polit-Parade gipfelt, wo sich 200.000 Menschen ab 16 Uhr für ihre Ziele stark machen. Wir haben mit CSD-Gesamtleiter Christoph Michl gesprochen.

Nach außen hin leben wir in einer vergleichsweise toleranten Gesellschaft, doch Vorurteile und auch Homophobie scheinen immer noch in einigen Köpfen verankert zu sein. Was genau sind die politischen Punkte, die euch 2013 auf dem Herzen liegen?
Oftmals fehlt die vollständige Gleichstellung rechtlicher Aspekte schlicht noch. Bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft sind beispielsweise die steuerliche Gleichbehandlung sowie das gemeinsame Adoptionsrecht ausgeklammert. Auch die Tatsache, dass Schwule kein Blut spenden dürfen, schreit zum Himmel. Ebenso gilt es, gleichgeschlechtliche Lebensweisen in den Bildungsplänen zu verankern. Nur so kann bereits im frühen Alter mit der Vermittlung von Respekt gegenüber Minderheiten begonnen werden. Denn Akzeptanz kann nicht verordnet, sie muss gelebt werden. Hier setzt das CSD Motto „tiefenToleranz“ an. Oberflächlich hat man sich mit Lesben und Schwulen arrangiert. Schwierig wird es, wenn sich Menschen im eigenen Umfeld als von der Norm abweichend zu erkennen geben: Vater, Mutter, Bruder, Schwester, das eigene Kind, der beste Freund – ehemals tolerante Vorsätze sind dann ganz schnell über Bord geworfen.

Was sind deine stärksten – sowohl positiven als auch negativen – Eindrücke in den letzten Jahren des CSD gewesen?
Ein enormer Erfolg war sicherlich der offizielle CSD-Empfang des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann im vergangenen Jahr. Nach Jahrzehnten der Ignoranz, Diskriminierung und Demütigung durch die vormaligen Landesführungen trat ein Landesvater seinen schwul-lesbischen Kindern erstmals mit Respekt und Offenheit gegenüber. Sehr eindrücklich in Erinnerung bleiben wird mir immer unsere Stuttgart-Delegation zur CSD Parade nach Bukarest in Rumänien. Wenn man sieht, wie unsere Schwestern und Brüder dort gegen staatliche Gewalt und den Hass in der Bevölkerung ankämpfen müssen, wird einem schmerzlich bewusst, wie brüchig die Toleranz doch ist.

Wenn am 27.07. der CSD wieder durch Stuttgart zieht – was wünschst du dir da von den Stuttgartern?
Toll wäre, wenn wir von der oberflächlichen Toleranz etwas näher an die tiefergehende, ehrliche Akzeptanz rücken. Dazu hoffe ich, dass wir es gemeinsam schaffen, die wirkliche Lebenssituation und die alltäglichen Probleme von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Transsexuellen und Intersexuellen sichtbarer, greifbarer und verständlicher zu machen. Als Besucherin oder Besucher wäre es klasse, nicht nur die Bunten und Schrillen bei der Parade im Blick zu haben, sondern auch ein offenes Ohr für unsere Forderungen, Ängste und Nöte.

csd-stuttgart.de

Das koennte dir gefallen…

Keine Kommentare

Kommentar schreiben