Interview

Maeckes

Gewohnt wortgewandt erzählt Maeckes auch auf seinem neuen Studioalbum detailreiche Geschichten von Liebe, Vergänglichkeit und Begegnungen. Trotz ernster Themen und viel Melancholie zaubert er dem Hörer immer wieder ein Schmunzeln auf die Lippen und liefert mit „tilt“ den „Schlüssel zu seiner Welt“. Gemeinsam mit Tristan Brusch, mit dem er bereits als Viertel der Orsons zusammenarbeitete, und dem Produzenten Äh, Dings geht er auf eine Reise vom „Mary-Byrd-Land“ bis in „Die Alpen“. Wir haben mit Markus Winter alias Maeckes gesprochen und erfahren, wie man sich von Dämonen befreit, warum man sich öfter mal zwingen sollte und was Lieder mit Lebensmitteln gemein haben …

„tilt“ wird als dein persönlicher Befreiungsschlag angekündigt. Wovon wolltest du dich lösen?
Von allem. Von der Welt. Das sollte jetzt noch ein letztes Album sein und dann lös’ ich mich in Luft auf. Ich hab mich in den letzten zehn Jahren von so manchen Dämonen befreit, manche davon haben auf dem Album eine Endsequenz erhalten.

Aber ein paar sind noch übrig?
Es kommen ja immer neue dazu, deswegen wird’s auch nie langweilig. Für jeden Dämon, den man los wird, bekommt man irgendwann einen neuen, den man aber nicht gleich entdeckt, sondern erst später irgendwann.

Und wie sehen die aus?
Meistens tarnen die sich als Ängste vor absurdem Zeug.

Hat es dich Überwindung gekostet, so ein persönliches Album zu machen?
Für mich ist „persönlich“ und „erfunden“ ganz am Ende sowieso persönlich. Ich mach’ da keinen Unterschied, weil es für den Hörer am Ende sowieso echt ist. Ob das dann tatsächlich in einem Leben passiert oder aus vier Leben zusammengeklaubt und in einem Lied geendet ist, macht keinen Unterschied. Sprich, alles ist real und wenn das alles ganz genau eins zu eins real mein Leben wäre und ich das auf ein Album packen und dann rausbringen würde, dann hätte man da echt Probleme. Aber dadurch, das alles erfunden ist auf dem Album, hatte ich da auch keine Probleme.

 

 

Was unterscheidet die Arbeit an deinen Soloprojekten von der Arbeit mit den Orsons?
Man denkt am Anfang, dass es einfacher ist, weil man schneller in eine Richtung losläuft. Diese Richtung zu finden ist bei den Orsons schwierig, aber ich finde, dass solo dann andere Schwierigkeiten kommen. Es ist ganz genau identisch gleich anstrengend, nur anders. Bei den Orsons ist das Problem überhaupt erstmal in eine Richtung loszulaufen, weil alle in verschiedene Richtungen rennen, solo rennt man in eine Richtung los, aber dann merkt man, dass vielleicht der Weg immer enger wird oder komisch Slalom läuft, man hat andere Schwierigkeiten und so war das da. Ich muss sagen, dass mir der Albumprozess wirklich viel Spaß gemacht hat, gerade auch mit Tristan Brusch und Äh Dings zusammen, die auch eine ähnliche Vision für Musik haben. Ich hab sehr sehr viel gelernt.

War es dann überhaupt ein richtiges Soloprojekt?
Ich hab das wirklich von Anfang an mit den beiden erarbeitet. Tristan hat ganz viel Musik geschrieben, am Anfang hab ich das noch selber produziert und irgendwann hab ich mit Äh Dings noch einen Produzenten dazugeholt, weil alles sehr viel wurde und ich auch nicht der technische, sondern eher ein kreativer Produzent bin. Die waren wirklich ziemlich von Anfang an dabei. Ich hatte sicherlich einige Textideen schon davor oder alleine und textlich ist es auch komplett meine Welt, aber die Musik und das ganze Album ist wirklich in Zusammenarbeit entstanden.

Perfektionismus ist ein zentrales Thema in deinen Texten, wann ist ein Song für dich „fertig“?
Es gibt kein perfektes Lied, das ist ein Trugschluss. Ich hab’ das immer noch nicht kapiert, ich such’ auch immer noch das perfekte Lied, aber das gibt es nicht. Das ist ähnlich wie bei einem Lebensmittel. Es gibt eine Zeit, in der es ungenießbar ist, dann gibt’s einen Zeitraum, in dem es genießbar ist und irgendwann gibt es den Zeitraum, in dem es verfault. Und in diesem Genießbarkeitszeitraum muss man schauen, dass man es verzehrt. Und genau so ist ein Lied: Es gibt nicht den einen Moment, in dem es perfekt reif ist. Vielleicht hätte es noch ein bisschen mehr reifen können, aber dann hätte man die Gefahr gehabt, dass es doch irgendwann ungenießbar wird.

Wie eine Avocado …
EIn Lied ist wirklich wie eine Avocado. Bei vielen Liedern ohne Kern.

In „Die Alpen“ zitierst du eine Reihe anderer Künstler (Bright Eyes, Future Islands, James Blake, … ), wie hast du die Auswahl getroffen?
Das war einfach Musik, die ich gehört habe, um dem Gefühl, das in den Alpen herrscht, zu entrinnen. Kompliziert ausgedrückt. Musik, die mir auf eine einfache Art reingelaufen ist, aber aus ganz tollen Alben besteht. Auch nicht ganz einfach, aber zum Beispiel Mac DeMarco – Salad Days funktioniert im Vorbeigehen und auch beim genauen Hinhören. Maribou State war genau dasselbe: sehr gut gemacht, aber doch einfache Musik.

 

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Du hast dein Album von Caspar Kelly reviewen lassen. Er spricht ja kein Deutsch, warum hast du dich für ihn entschieden?
Durch irgendeinen Zufall habe ich mit ihm hin und her geschrieben. Ich bin größter Fan von einem YouTube-Video, das er gemacht hat, er hat Kurzgeschichten geschrieben und ich habe mal ein Buch bei ihm bestellt und so sind wir irgendwie ins Gespräch gekommen, er ist ein echt lustiger Typ. Aus dem Nichts hat er dann irgendwann geschrieben, er findet meine Musik voll gut. Dann hab ich geschrieben, „Hä, kannst du deutsch?“, weil wir immer nur auf englisch geschrieben haben. Er meinte dann, nein, aber irgendwie kapiert er es trotzdem. Manche Worte sind halb englisch, die versteht er und sonst kriegt er das selber raus. Dann hab ich ihm geschrieben, „Ist es dann so, wie wenn die deutschen Figuren, die du so kennst – Adolf Hitler und Arnold Schwarzenegger – melancholischen Rap machen? Wie fühlt sich das für dich an?“ Das fand er dann so lustig und ich hatte die Idee, „Ich schick dir mein Album zu und du hörst dir das an und erfindest einfach, was du da raus hörst ohne die Texte zu kennen. Einfach nur die Stimmungen und was du so verstehst und schreibst mir darüber eine Platten-Review und das wird dann die einzige Platten-Review, die ich veröffentliche.“ Dann hab ich es ihm geschickt und er hat mir den Text geschrieben, den man auch immer noch auf meiner Homepage durchlesen kann und der wunderschön ist. Wenn man das Album mal gehört hat, ist es perfekt. Erst haben wir versucht, den Text ins Deutsche zu übersetzen, aber das war ein völliger Reinfall, das hat überhaupt nicht mehr funktioniert, deshalb gibt’s den nur auf Englisch.

Du hast für die Deluxe Box 800 Zeichnungen angefertigt – ab wann hast du das bereut?
Ziemlich bald. Das war eigentlich nur eine Schnapsidee. Ich hab’ mal gesagt, dass ich immer so viel gezeichnet hab, die Gitarrenkonzert-Grafiken und so, ich hab’ bestimmt irgendwo eine Schublade, in der all diese Zeichnungen sind und ich würde gern, wenn wir schon solche Boxen machen und die krass bestücken, dass jede einzeln bestückt ist. Von Chimperator meinten dann alle, das sei eine super Idee, such doch mal die Schublade. Und ich meinte dann, überhaupt kein Problem, da sind bestimmt 500 Zeichnungen drin. Dann hab ich die Schublade gesucht und gemerkt, Moment, jetzt wart mal, so viele sind das gar nicht. Das Label hielt das dann aber schon für so eine gute Idee, dass wir das machen müssen und ich meinte dann nur, hey, ich hab’ die Zeichnungen nicht. Ich meinte dann ich schau mal, ob ich vielleicht ein paar zusammen bekomme. Daraufhin haben dann Tristan, der der beste Zeichner von uns ist, Äh Dings und ich uns über einen Zeitraum von drei vier Wochen so einen Zeichenzwang auferlegt. Jeden Abend saß man dann eine Stunde da und hat gezeichnet. Das hört sich so vielleicht schlimm an, aber das war in einer Zeit, in der man so viel vorbereitet und zu tun hat, die beste Zeit. Diese Stunde Zeichnen, in der man dann eine schöne Vinyl-Platte aufgelegt hat, oft jeder für sich, aber dann manchmal auch zusammen, dagesessen, gelacht, ein Glas Wein getrunken und einfach gezeichnet hat, war das Entspannteste in der ganzen Promophase. Man sollte sich öfter mal Sachen selber auferlegen und sich dazu zwingen, die man eigentlich gerne tun würde, aber für die man keine Zeit hat. Alles unter Zwang funktioniert besser.

Gut, dass die Schublade nicht so voll war.
Hätte mir ganz schön viel Zeit erspart. Aber stimmt, sonst hätte ich nicht gezeichnet.

 

 

Für die Promo des Albums hast du einige schöne Videos u. a. die „Fuck-you-Meditation“, produziert – wem würdest du die gerne ans Herz legen?
Nur Leuten, die man absolut nicht mag. Jeder, der das in Ruhe und ohne darüber zu lachen wirklich versucht zu verinnerlichen, wird glaube ich sehr traurig da rausgehen. Aber mir würden schon so ein paar einfallen, die einfach mal wieder eine Tiefenentspanntheit im sich selbst scheiße finden erlangen könnten. Die das schon länger nicht mehr gemacht haben, die sollten sich selber einfach mal wieder richtig kacke finden. Und genau den Leuten sollte man das schicken.

Deine Lieblingsbeleidigung, die du den Leuten gerne direkt hinterher werfen würdest?
Eine pauschale Lieblingsbeleidigung hab ich nicht, aber vor Kurzem hat mir jemand aus meinem Bekanntenkreis gesagt, dass er länger nicht mehr geflucht hat und er gemerkt hat, als er dann mal wieder voll viel geflucht hat, wie entspannend das ist. Man sagt ja auch, dass andere Völker, die im Alltag viel mehr fluchen, sehr viel entspannter sind. Ich find fluchen okay.

Du hast schon bei mehreren Musikvideos Regie geführt – auch bei den bereits veröffentlichten Videos zu „Urlaubsfotograf“ und „Gettin’ Jiggy with it“. Wie gehst du bei der Konzeption solcher Videos vor, sind das teilweise echte YouTube-Schnipsel?
Früher hab ich auch Sachen collagiert, aber bei diesem Album haben wir alles selber gemacht. Manches wirkt so, manchmal weiß ich auch selber nicht mehr was echt und was unecht ist. Da ich leider nicht für alles die Kapazität habe, arbeite ich bei allem auch mit unfassbar talentierten und tollen Leuten zusammen.

 

 

Man kann heraushören, dass du schon einige Abende mit Whiskey und zahlreichen Zigaretten verbracht hast, was darf dabei nicht fehlen oder reicht das schon für einen Abend?
Ich bin Nichtraucher und trinke sehr sehr selten Whiskey wenn ich Zuhause bin. Ich bin nicht so der Ich-trink-alleine-Alkohol-ZuhauseTyp. Das hab ich mir irgendwann abgewöhnt. In anderen Zeiten in meinem Leben war das auf jeden Fall viel mehr, aber trinken tu ich lieber mit anderen Leuten zusammen, alleine nicht, eher so als geselliges Ding. Rauchen hab ich wie gesagt irgendwann aufgehört. Das hat für mich irgendwann keinen Sinn mehr gemacht und ich trauer dem Tag auch immer noch hinterher, weil ich sehr gern geraucht habe. Aber irgendwann hab’ ich nicht mehr gern geraucht, dann hab ichs aufgehört und seitdem bin ich ein schwacher Mensch. Ich bewunder jeden, der noch weiter raucht.

Du kommst ja hier aus der Gegend. Gibt es einen Ort in Stuttgart, den du vermisst, wenn du weg bist?
Da gibt es ein paar. Zum Teil natürlich Kornwestheim, wo ich groß geworden bin. Sonst hab’ ich sehr lange im Stuttgarter Süden gewohnt. Wenn ich so in der Ecke um den Marienplatz bin, weiter Richtung Marienhospital da oben, freu ich mich immer zurückzukommen und hab auch noch ein paar Freunde, die dort drum herum wohnen. Da bin ich dann doch sehr gerne.

 

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„tilt“ erscheint am
21. Oktober.
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maeckes-musik.de

Bilder: © Nico Wöhrle

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