Interview

Megaloh im Interview

Jahrelang tobte sich der Berliner Rapper mit niederländisch-nigerianischen Wurzeln erfolgreich in der deutschen Rapszene aus und bespielte mit Größen wie Samy Deluxe, Curse, Xavier Naidoo und Patrice die Bühnen der Nation – bis er sich 2011 bei Max Herres und Joy Denalanes Label „Nesola“ niederließ. Dabei stand bei seiner Musik von Anfang an vor allem eines im Vordergrund: Authentizität. Der talentierte Wortakrobat hat eine warme Stimme und eine große Sammlung an prägenden Erlebnissen im Gepäck, die er in seinen oft autobiographischen Texten verarbeitet. Nachdem sein erstes Major-Album „Endlich Unendlich“ vor drei Jahren direkt in die Top-Ten schoss, legt Megaloh nun mit seiner zweiten Platte „Regenmacher“ nach. Dafür holt er sich alte und neue Bekannte wie Jan Delay, Max Herre, MoTrip, Joy Denalane und Patrice mit ins Boot. Wir sprachen mit ihm über sein neues Album, musikalische Vorbilder und die Wirkung von Musik.

Wie bist du auf den Titel „Regenmacher“ gekommen und was bedeutet er?
„Regenmacher“ ist, platt gesagt, ein Symbol für einen Hoffnungsträger. Wichtig war mir bei diesem Album, da ich auch die afrikanischen Wurzeln zum ersten Mal mit in die Geschichte involviere, dass ich einen Begriff als Titel wähle, der das quasi schon erkennen lässt. In unserer Gesellschaft ist der Regen ja eigentlich nichts Gutes und man ärgert sich eher, wenn es regnet. Aber in anderen Kulturen oder Ländern, wo die klimatischen Verhältnisse anders sind, kann es schon sein, dass das Überleben davon abhängt, dass der Regen zur richtigen Zeit kommt. In alten Kulturen gibt’s eben diesen Regenmacher, der aus unserer Sicht eher ein Scharlatan ist: Jemand Schamanisches, dem die Rolle zugedichtet wird, dass er in der Lage ist, für den Regen, den man in der Dürre braucht – den Erfolg sozusagen – zu sorgen. So ähnlich habe ich diese Position zum einen in meiner Familie – also Verantwortung, die ich übernehmen möchte, für andere Leute zu sorgen – und zum anderen gegenüber meinen Hörern und Supportern, die mich seit „Endlich Unendlich“ kennen und meine Musik unterstützen. Es ist eine Metapher für beides, dieses Versprechen sowohl meiner Familie gegenüber, als auch der Szene und meinen Supportern gegenüber einzulösen. Quasi wie eine Art Reifeprozess. Das Auseinandersetzen mit einer Rolle, die übermenschlich groß erscheint und der Versuch, diese auszufüllen.

Wie würdest du dein neues Album beschreiben?
Es ist auf jeden Fall ein sehr musikalisches Album. Ähnlich wie bei „Endlich Unendlich“ haben wir sehr viel mit echten Instrumenten gespielt. Ansonsten kann man sagen, ein roter Faden in der Musik ist Ghanaian Stallion, mein Produzent, mit dem ich schon sehr lange zusammen arbeite; er hat fast alle Beats – außer einen – gemacht. Inhaltlich ist es sehr echt, es ist die Geschichte von „Endlich Unendlich“, die weiter erzählt wird, dieser Neuanfang, die zweite Chance, mit der richtigen Einstellung versuchen, das Richtige zu tun. Ich bin auch weit in die Vergangenheit zurück gegangen, gehe in Zeiten vor „Endlich Unendlich“, beziehungsweise zu den Anfängen, wo ich Musik gemacht habe, und auch in die Phase zwischen „Endlich Unendlich“ bis zu diesem Album, was seitdem passiert ist.

Welche Message willst du mit deinem Album senden?
Die Message ist in erster Linie, dass du an deine Träume glauben sollst. Wenn du etwas hast, für das dein Herz wirklich schlägt, dass du dafür kämpfen solltest und dafür auch bereit sein solltest, Durststrecken zu durchstehen – weil am Ende dann trotzdem ein positives Resultat möglich ist. Es liegt großteils an einem selbst, den Hauptjob zu erledigen und wenn man das tut, 120 Prozent gibt, kann man das Glück haben, dass sich das ganze Puzzle zusammenfügt und sich Sachen ergeben. Das ist die Hoffnung mit „Regenmacher“. Wir haben unseren Job gemacht und jetzt liegt es an den Leuten.

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Du setzt dich auf „Regenmacher“ mit Träumen, Niederlagen, dem Weg zum Ziel und letztendlich mit Erfolg auseinander. Wie kommst du darauf, gerade solche Geschichte zu erzählen?
Viel hat einfach mit meinem Leben zu tun. Der Fakt, dass ich ab einem bestimmten Punkt angefangen habe, Verantwortung zu übernehmen und nicht mehr von einem Tag in den anderen leben konnte. Das war bei mir eben vorher so, dass ich nicht wirklich in einem festen Job war, sondern eher quasi geschaut habe, wo das Geld herkommt. Aber in dem Moment, wo du eine Familie hast, und Leute, für die du sorgen musst, gibt’s andere Sachen, die wichtiger sind. Es muss einfach immer eine gewisse Basis da sein. Deshalb habe ich angefangen im Lager zu arbeiten, also ein Job, für den man keine Vorbildung oder irgendeine Ausbildung oder Qualifikation brauchte. Letztendlich ist das eine körperliche Belastung, die jeder machen kann, wenn man’s durchhält. Den Job könnte ich mit Sicherheit nicht machen, wenn ich’s nur für mich machen würde. Wie oft ich schon daran gezweifelt habe und keinen Bock mehr hatte – aber letztendlich habe ich über diese Verantwortung auch eine gewisse Stärke entwickelt. Das versuche ich auch in meiner Musik deutlich zu machen.

Was hat dich dazu bewogen, beispielsweise mit dem Song „Wohin“, Stellung zu aktuellen politischen Ereignissen zu beziehen?
Ich finde, es ist einfach eine krasse Zeit, in der wir leben. Es wird ja auch als „die Krise unserer Zeit“ bezeichnet, die ganze Flüchtlings- und Migrationsdebatte. Ich finde es schwierig und gefährlich, wie damit in den Medien oder generell in der Gesellschaft umgegangen wird. Ich finde, das ist ein sehr gesellschaftsspaltendes Thema. Es sind total viele Gedanken, die sich die Leute machen, die auch sehr viel auf Angstkonstrukten basieren, auf Fehlinformation oder auf fehlende Informationstransparenz. Ich habe das auch schon länger in den Medien mitverfolgt, jetzt kommt man ja gar nicht mehr an dem Thema vorbei, aber den Song habe ich geschrieben, da war das mit Lampedusa gerade, also noch ziemlich am Anfang der Thematik. Ich finde aber, es hat sich nicht wirklich etwas in der Berichterstattung geändert: Es wird sehr viel mit Statistiken und Prognosen um sich geworfen und Angst geschürt, anstatt einfach persönliche Geschichten zu beleuchten, die Motivation, warum Leute ihre Familie zurücklassen und sich auf die Reise machen, die vielleicht sogar den Tod bedeuten könnte, um herzukommen. Auf der anderen Seite finde ich, dass es eine gesellschaftliche Verantwortung ist, zu erkennen, dass unser ganzer Wohlstand auf jahrhundertelanger Ausbeutung von anderen großen Teilen der Welt, was in erster Linie als „dritte Welt“ bezeichnet wird, basiert. Das man sich davon eben nicht lösen kann, und dass wenn sich jetzt die Leute aufregen, dass viele Menschen herkommen, die aus ihrer Sicht hier nichts verloren haben und „Wirtschaftsflüchtlinge“. Dieser Begriff wird ja gerne gewählt. Das hängt alles zusammen. Unser Markt zerstört auch afrikanische Märkte, das wissen die meisten nicht. Das wird ja auch jetzt nicht großartig überall breitgetreten. Zum Beispiel Hähnchen, wir essen hier ja gerne Hähnchen. Aber es wird in Deutschland eigentlich nur Hähnchenbrust, dann Keule und ein bisschen Flügel verkauft, und wo wandert der Rest vom Hähnchen hin? Da habe ich zum Beispiel einen Bericht gesehen, dass der ganze Hähnchenabfall, also all das, was wir nicht verwerten, auf dem afrikansichen Markt landet und dort dann den Binnenmarkt kaputt macht, weil die Sachen von hier natürlich viel billiger angeboten werden, weil sie teilweise sogar von der EU subventioniert sind. Die Bauern dort oder die Fleischer können deshalb nicht Fuß fassen, weil wir ihnen das billige Zeug rüberschicken. Insofern bleiben die Strukturen weiter erhalten, es ist es natürlich klar, dass es „Wirtschaftsflüchtlinge“ gibt und wir uns da in Europa nicht aus der Verantwortung ziehen können.

Welche Bedeutung hat deine Herkunft für dich und deine Musik?
Gerade in der Thematik, dass ich eher für das Thema sensibilisiert bin: dass ich das kenne, hier in Deutschland nicht akzeptiert zu werden. Was von Integration geredet wird, ist immer ein zweiseitiges Ding. Ich bin ja hier aufgewachsen und komplett in Deutschland sozialisiert, auch wenn meine nigerianische Mutter meine Erziehung übernommen hat und ich auch viele Werte von dort mitbekommen habe. Aber ich bin trotzdem hier komplett sozialisiert und ich komme trotzdem bis heute noch in Situationen, wo ich das Gefühl habe, dass mich die Leute komplett anders wahrnehmen, also einfach als „Ausländer“ oder „Landesfremden“. Das, womit man dann umgehen muss, die Ablehnung der Leute teilweise, das fühlen Leute, die tatsächlich von wo anders herkommen und hier herkommen müssen, weil sie das als ihre letzte Hoffnung sehen, bestimmt noch stärker. Insofern bin ich wahrscheinlich einfach für dieses Leid ein bisschen sensibilisiert. Meine Mutter musste in jungen Jahren, sozusagen in ihrer Studentenzeit, in Nigeria vor dem Bürgerkrieg innerhalb des Landes flüchten. Sie hat mir nicht wirklich viel darüber geredet, aber eben ein bisschen: wie es so ist, wenn man sich in dem ganzen Chaos verliert und, dass sie auch Teile ihrer Familie auf der Flucht verloren hat und mit fremden Leuten geflüchtet ist. Also ich habe vermutlich mehr Verständnis für die Lage. Wenn ich höre, was manche Menschen sagen – gestern habe ich zum Beispiel „Maischberger“ geguckt – und dann darüber geredet wird, dass es überwiegend junge Männer sind, die asozialerweise ihre Familien zurücklassen. Das entspricht einfach absolut nicht der Realität und ich finde es total gefährlich, dass Führungspersonen unserer Gesellschaft solche Sachen kommunizieren.

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Es heißt, dass du mit „Regenmacher“ eine „neue Ära im deutschen HipHop“ einläutest. Wie sieht die aus?
Ich kann mir nur vorstellen, was damit gemeint ist. Ich mache ja sehr ehrlichen Rap. Es geht eigentlich nur um meine Geschichte, oder beziehungsweise Geschichten, die im entferntesten Sinne damit zu tun haben. Ich versuche nicht, einen Charakter darzustellen, der ich nicht bin oder aus Imagegründen irgendetwas zu verkörpern – und das bedeutet vielen Leuten viel, weil das seltener geworden ist oder vielleicht auch nicht so der Erfolgsgarant für HipHop an sich. In den 2000er-Jahren war ja Straßen-Rap, also grundsätzlich Gangster-Rap, angesagt und da ging’s nur damit – je brutaler desto besser. Ich habe das Gefühl, dass die Leute jetzt für mehr Vielseitigkeit bereit sind und da kann es sein, dass wir mit unserer Musik einen Teil beitragen können, dass sich mehr Leute davon inspirieren lassen.

Dein letztes Album „Endlich Unendlich“ war sehr erfolgreich. Wie geht man nach so einem Erfolgsalbum an das nächste ran? Hat sich etwas an der Arbeitsweise geändert?
Nicht wirklich, ich würde sagen, es ist auf jeden Fall eine Genugtuung gewesen, zu sehen, dass wir da nicht falsch lagen. Dass es sich wirklich ausgezahlt hat, so lange dranzubleiben und einfach nicht aufzugeben und jede Chance zu nutzen, die man eben bekommt. Insofern ist es jetzt eher eine angenehmere Position. Auf der anderen Seite bin ich ein sehr perfektionistischer Typ und mache mir den größten Druck. Der Druck kommt nicht von außen, ich habe selber an mich den Anspruch, erfolgreicher zu sein oder mehr Leute zu erreichen, als mit der letzten und einfach so das Angefangene zu etablieren.

Wenn du mal 24 Stunden komplett zur freien Verfügung hättest, ohne Arbeit, wie würdest du die verbringen?
Wahrscheinlich wie jetzt zurzeit, komplett im Studio. Da würde ich einfach ein paar Typen einladen, mit denen ich cool bin, Rapper und Musiker, mit denen ich mich gut verstehe, mit denen man gut arbeiten kann und im Studio durchdrehen, jammen. Das ist der Teil, der mir am Musik machen am meisten Spaß macht. Das Texte schreiben, zu sehen, wie die Musik nach und nach entsteht.

Hast du beim Texte schreiben ein bestimmtes Ritual oder musst du dich in einer bestimmten Umgebung befinden?
Das ist ganz unterschiedlich. Was ich festgestellt habe ist, dass draußen schreiben ganz gut sein kann. Im Sommer im Park zu sitzen. Da ist auch das Weitläufige, der Blick, ich glaube, das hat einen Einfluss. Aber das ist keine abgeklärte Formel. Außerdem ist es meistens kalt, also jetzt gerade. Meine Platten kommen ja immer gerade dann, wenn’s kalt ist und da läuft nicht so viel mit im Park schreiben, beziehungsweise ist das dann eher unangenehm. Das mache ich dann schon eher zu Hause. Die letzte Platte „Regenmacher“ habe ich komplett im Badezimmer geschrieben, weil das der einzige Ort war, wo ich meinen Kräutertee trinken konnte. Der dampft sehr stark und dann war ich eben im Badezimmer am offenen Fenster. Es ist ein ganz kleines Bad, wo ich ein Regal habe, auf das ich meinen Laptop draufgestellt habe. Ich schreibe mittlerweile ja am Laptop. Das mache ich so seit längerer Zeit, weil meine Handschrift so hässlich ist. Und ich finde, man kann auch besser Fehler korrigieren und am Text arbeiten. Ich lese ungern einen Text von mir, der handschriftlich ist, wo ich schon die Hälfte durchgestrichen hab, dann müsste ich ihn quasi nochmal abschreiben. Das bremst den ganzen Prozess des Schreibens, darauf habe ich überhaupt keinen Bock. Deshalb ist da Copy/Paste einfacher.

Auf dem Album sind wieder einige Features, unter anderem von Max Herre, Joy Denalane, Jan Delay und Patrice. Wie kann man sich eure Zusammenarbeit vorstellen?
Ganz unterschiedlich. Mit Max, zum Beispiel, ist es schon eher eine enge Zusammenarbeit, dass man sich auch hinsetzt und am Text zusammen feilt oder überlegt, „was braucht der Song jetzt?“, Ideen hin und her wirft. Mit anderen Künstlern war ich teilweise gar nicht zusammen im Studio. Da kennt man sich aber und weiß, was erwartet wird. Man telefoniert vorher und fragt „Hey, hast du Bock? Ich schicke dir mal die Nummer rüber. Das und das brauche ich von dir“. Dann kann die Person das auch unabhängig bei sich aufnehmen und zurückschicken. Ich bin über jedes Feature auf der Platte sehr froh. Ich habe die Features nicht nach Namen ausgewählt, sondern eher nach Farben. Ich habe mich also gefragt „Was braucht der Song noch?“. Die Features sind auch eher nachträglich dazu gekommen, dass man eben gesagt hat „Der Song hat dies, was fehlt ihm noch?“. Ist es eine andere Stimme oder ist es vielleicht ein anderes Instrument oder was Inhaltliches, was jemand anderes besonders gut verkörpern kann? Zum Beispiel auf der Nummer mit Jan Delay „Geradeaus“, da packt Jan im Refrain den Reggae-Jan wieder aus. Da bin ich sehr froh drüber, weil das da perfekt gepasst hat. Ich habe ja auch den Reggae-angehauchten Banger von Farid und da hat Jan Delay einfach super dazu gepasst. Es ging, wie gesagt, nicht um die Namen, sondern wer ist das richtige Feature oder die richtige Ergänzung für die Nummer, um sie perfekt rund zu machen.

Darf man sich auf deiner Tour auch auf einige der Feature-Künstler freuen?
Das muss man sehen, wie die Zeit haben. Ich versuche natürlich immer alles für die Fans möglich zu machen und auch ein paar Überraschungen dabei zu haben. Wie das genau sein wird, kann ich an diesem Punkt noch gar nicht sagen, weil es bis zur Tour auch noch viel zu lange hin ist. Aber vielleicht auf dem einen oder anderen Festival. Da sind auch die Möglichkeiten größer, wenn die Leute sowieso vor Ort sind. Wenn jemand zum Beispiel am gleichen Tag wie ich ein Konzert hat, und sagt „hey, bleib doch noch“, also da wird sicher noch was passieren dieses Jahr.

Was machst du nach Konzerten, um runter zu kommen?
Direkt nach dem Konzert trinke ich gerne meinen Whiskey-Cola oder Kräutertee in Kombination. Und ich höre auch gerne Musik. Ich war ja mit Max Herre viel auf Tour unterwegs für die „Hallo Welt“- und die „MTV Unplugged“-Tour. Dort habe ich immer mit Afrob zusammen im Backstage-Bereich Musik gehört, die wir gerne mögen, das was man als Trap bezeichnen würde. Mit unserer bouncigen HipHop-Musik haben wir immer alle vergrault. Hat aber auch Riesen Spaß gemacht.

Was treibt dich wieder an?
Letztendlich auch die Musik. Musik ist zum Einen zum Runterkommen, je nachdem, was für Rap ich höre, aber genausogut, wenn ich total müde bin oder nicht gut geschlafen habe und am nächsten Morgen früh zur Arbeit muss. Dann ist es total wichtig, dass ich Kopfhörer dabei habe. Da gibt es ein paar Nummern, die total energiegeladen sind, die ich gerade feiere, zum Beispiel Asap Ferg feat. Future: „New Level“. Da bin ich dann sofort wach und voller Energie. So geht es auch vor einer Show, wenn man sich nicht wohl fühlt. Es gibt ja auch Tage, an denen man nicht so fit ist. Dann muss man einfach das richtige Lied anmachen und dann läuft das schon.

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Wie entscheidest du welche Songs aufs Album kommen und welche nicht?
Ein wichtiges Kriterium ist die Zeit. Wir arbeiten lange an den Songs und gerade wenn die Album-Produktion wie jetzt zwei Jahre dauert, dann hat man jedes halbe Jahre eine Art Bestandsaufnahme. Das heißt, man setzt sich mit dem Team hin und guckt, welche Nummern immer noch cool sind. Dabei geht es einerseits darum, welche für mich immer noch cool klingen, aber andererseits auch darum, welche einfach größer sind als ich und vielleicht noch etwas Anderes auslösen können. Nach dieses Kriterien gehe ich eher bei einem Album vor. Wenn es ein Mixtape wäre, dann ist es eher eine Momentaufnahme: Das, was man gerade fühlt, haut man halt raus. Aber bei einem Album habe ich selbst den Anspruch, dass ich mir selbst die Songs auch noch in 10-20 Jahren anhören kann und immer noch cool finde und auch, dass die Leute länger etwas davon haben. Deshalb wird da stark gesiebt. Meistens mache ich doppelt so viele Songs, wie dann am Ende auf der Platte sind.

Also passiert die Auswahl eher in einer Art Gruppenarbeit?
Ja und nein. Am Ende des Tages wird es keinen Song auf dem Album geben, mit dem ich nicht cool bin, den ich gar nicht sehe. Aber es gab zum Beispiel den Song „Alles Anders“, da musste ich schon hingeschoben werden, weil ich mich mit dem Song nicht wohl gefühlt habe. Aber inhaltlich hat er trotzdem eine starke und wichtige Aussage, die nicht nur für mich wichtig ist, sondern vielleicht auch für andere. Da hat mir mein Team schon nahegelegt, dass es Sinn ergeben würde. Wenn ich das erkennen kann, passt es auch, aber am Ende des Tages ist es meine Entscheidung.

Warum hast du dich mit dem Song nicht wohlgefühlt?
Weil ich da ziemlich meine Hosen runterlasse und über eine Beziehungssituation erzähle, in der es leider handgreiflich geworden ist, in der wir uns dann komplett verloren haben. Damit umzugehen, etwas zu sein oder zu werden, was ich nie sein wollte. Ich würde das zu keiner Zeit tolerieren oder gutheißen, dass man in der Beziehung handgreiflich wird, aber es ist einfach dazu gekommen. Man muss damit irgendwie weiterleben und sehen, wie man damit klar kommt. Gerade weil es kein Thema ist, das ständig breit getreten wird, sonder eher einseitig, dass alle die gleiche Meinung haben „Das geht überhaupt nicht“. Aber die Beweggründe und Hintergründe werden oft nicht so beleuchtet und insofern haben die Leute, denen ich vertraue mir nahe gelegt, dass es Sinn ergibt, den Song zu veröffentlichen.

Was feierst du gerade im Deutschrap bzw. welche Acts sind deiner Meinung nach hörenswert?
Ich bin gespannt auf die neue SSIO-Platte. Ich denke, die wird cool. Ich höre ehrlich gesagt privat nicht viel Deutschrap. Ich höre mir die Sachen an, aber ich höre es nicht privat. Das sind keine Sachen, die ich mir immer mal wieder anhöre, weil ich mich auch nicht beeinflussen lassen möchte. Ich mach das so schon länger und will auch mein eigenes Ding fahren und natürlich lässt man sich von allem ein bisschen beeinflussen. Ich höre privat eigentlich eher amerikanischen und französischen Rap, aber wie gesagt kommt das eine oder andere Release, das ich mir reinziehen möchte.

Wer sind deine musikalischen Vorbilder?
Angefangen hat das Ganze mit Snoop Dogg. Meine erste Rap-Platte, die ich gehört habe, war damals „Doggy Style“. Dann ging es ziemlich schnell zur East Coast rüber mit Wu Tang. Jay-Z hat eine lange Zeit eine große Rolle für mich gespielt, weil er das Geschäftliche und Künstlerische so gut verbunden hat: seine eigene Geschichte zu erzählen und daraus Profit zu schlagen und das immer größer zu machen. Es gibt allerdings nicht diesen einen Rapper, der mich total beeinflusst hat. Heute höre ich eher solche Sachen wie Drill-Musik aus Chicago, oder eben das, was als Trap-Musik bezeichnet wird aus Atlanta. Aber immer noch teilweise Rapper von früher, wie Styles P. oder The Lox, die Leute aus der Ära von Biggie. New-York-Rap, wie er in dieser Tradition weitergeführt wird, finde ich immer noch cool. Das wird wahrscheinlich auch immer bleiben, weil es lyrikaffin ist.

Wovon braucht die Welt mehr?
Mehr Kommunikation und mehr Verständnis. Mehr Empathie, die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und ganz wichtig, Informationstransparenz.

Wie würdest du dich selbst in drei Worten beschreiben?

Vielseitig, wechselhaft und launisch. Das ist wahrscheinlich alles das gleiche, gehört aber irgendwie zusammen.

Was war für dich der schönste Moment auf der Bühne?
Da wähle ich jetzt wahrscheinlich nicht das Richtige. Es gab auf jeden Fall einige krasse Situationen, wo mir Leute erzählt haben, was ein Song, den ich gemacht habe, in ihrem Leben bedeutet hat. Jemand, der mit „Vaterfigur“ endlich seinen eigenen Stiefvater verstanden hat nach über zehn Jahren. Oder der Song „Loser“, in dem es eigentlich nur um den Alltagsjob geht und diesen Frust, den man damit schiebt, und das damit Klarkommen, dass so viele Leute das durchmachen und letztendlich dadurch Hoffnung schöpfen in ihrem Struggle. Dass, wie ich es vorhin erzählt habe, Musik einem eine gewisse Energie gibt. Wenn Leute das mit meiner Musik erlebt haben, bin ich sehr stolz.

Genau, die Rolle des Regenmachers einzunehmen, oder?
Ja, ich versuche es.

Famous last words?
Vielen Dank an alle, die mich da draußen schon unterstützen seit „Endlich Unendlich“ oder sogar noch länger. Vielen Dank für alle, die sich den „Regenmacher“ schon vorbestellt haben. An alle, die noch nichts davon gehört haben: Zieht es euch mal rein, es gibt auf jeden Fall ganz viele Videos und Infomaterial dazu. Bildet euch selbst eure Meinung. Wir machen Musik mit dem höchsten Anspruch und es ist nur für die Leute am Ende des Tages. Ich freue mich, euch alle diesen Sommer auf den Festivals und im Herbst auf meiner Tour zu sehen.

„Regenmacher” erscheint am 04. März 2016

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