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PLATTFORM 0617: LIEBES 2018
VON NINA DIAS DA SILVA

WILLKOMMEN IN DER NACHBARSCHAFT“ VON NINA DIAS DA SILVA - re.flect Stuttgart

Ich bin sicher nicht die Erste, die sich jetzt schon an dich wendet. Bestimmt gab es solche Unterredungen auch mit den Jahren zuvor. Von Leuten, die sich wünschen, dass es ein gutes Jahr wird, dass ihre Träume in Erfüllung gehen und dass bei der Steuer mal was richtig geiles zurück kommt. Ich möchte mich da in diesem Jahr relativ kurz halten und es simpel formulieren: Bitte sei einfach kein Arschloch.

Kein Grund, sich persönlich angegriffen zu fühlen. Damit du weißt, dass ich Arschloch im positivsten Wortsinn meine, habe ich auch direkt überlegt, wie du es denn schaffen wirst, keines zu sein. Und zwar ganz allgemeingültig mit Dingen, die alle glücklich machen.

Frühling: Ich bin mir sicher, dass du es sonst eigentlich immer irgendwie gut gemeint hast. Womöglich war dein Gedankengang wie folgt: „Oh man, die armen Menschen. Jetzt hatten die schon wieder Schnee im April. Da hat doch keiner mehr Bock drauf. Klar, ein paar Wintersportler vielleicht, aber in der Stadt? Als Entschuldigung schenke ihnen jetzt gleich Sommer.“ Und dann zack – geht’s von 5 hoch auf 30 Grad und vor lauter Schock rutscht man erst mal aus seinem Parka mit Teddy-Innenfutter.
Weißt du, was da richtig geil wäre, 2018? Frühling. Einfach Frühling. Ja darauf stehen wir. Wir brauchen keine Extreme, wir mögen auch einfach das Gediegene. Wir lieben es, am Frühling zu beobachten, wie nach den grauen und kalten Monaten die Tage wieder länger werden, die Sonne mehr Kraft bekommt und es allmählich wärmer wird. Wir lieben es, die ersten Knospen zu entdecken. Oder total überrascht zu sein, dass mit einem Schlag alles wieder grün ist. Außerdem stehen wir total auf dieses Etwas, dass durch die frische Luft flirrt und uns überzeugt, dass wir uns zu jedem Zeitpunkt Hals über Kopf richtig krass verknallen werden. Klar, ist ja Frühling. Sicher hängen auch steigende Scheidungs- und sinkende Geburtenraten damit zusammen, dass wir schon lange keinen richtigen Frühling mehr hatten. Im Sommer ist es dafür wieder zu spät, da sind wir mit Schwitzen beschäftigt, da flirren nur noch unsere Ausdünstungen durch die Luft.

Feiertage: Zugegeben, wir sind da ziemlich verwöhnt. Über dieses Thema unterhält man sich im erzkatholischen Süden des Landes natürlich lieber als im „work hard, work harder“ belasteten Berlin. Auch wenn ein Hauptstädter folgendes jetzt vielleicht als meckern auf hohem Niveau bezeichnen würden, ist es mir ein Anliegen. Bitte sei so gut und lass die Finger von den Sonntagen. Glaub mir, niemand freut sich über einen Feiertag, der auf einen Sonntag fällt. Der ist quasi gar nicht existent, weder hat man einen Tag mitten in der Woche frei, noch kann man an diesem Tag nichts machen, weil alle Geschäfte geschlossen haben, noch kann man am Abend davor zusätzlich ausgehen, so dass man an diesem Tag doch etwas machen kann, nämlich einen fiesen Kater verleben. Wenn sie also nicht existent sind, verschwinden sie, wir vergessen sie und irgendwann geht es uns wie den Menschen in Berlin. Will das jemand? Und falls jemand denkt, ich würde übertreiben: Was genau feiert man an Fronleichnam?

Und dann hab ich noch eine letzte Bitte an dich. Ich weiß jetzt natürlich nicht, wie viel Einfluss du da drauf hast, du bist schließlich nur das Jahr. Aber vielleicht kannst du jedem in 2018 die Sache mit dem Respekt und der Freundlichkeit ein bisschen näher bringen: mal ein Lächeln in der U-Bahn – ist noch niemand von umgekommen. Mal jemanden an der Kasse vorlassen. Oder mein persönlicher Liebling: Auf Konzerten einfach mal die Schnauze halten.

Und falls du dich fragst, was du von unserem Geschäft haben könntest, wie klingt das für dich: Niemand, der sich um diese Zeit in einem Jahr beschwert, beklagt oder freut, dass das Jahr endlich vorbei ist. Niemand, der sich sicher ist, dass dann im nächsten Jahr alles wieder besser wird. Und ganz später mal ein: „Hey wisst ihr noch, damals 2018? Man, das war einfach das beste Jahr meines Lebens.“

PS: Wenn an meinem Geburtstag die Sonne scheinen würde, das wäre super. Der ist am 22. Mai.

Foto: © Alex Dietrich

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