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Romano über sich selbst: „Charmant, dominant, markant.“

Auf den ersten Blick fragt man sich bei Romano noch, ob der junge Mann mit den langen blonden Zöpfen und der „Metalkutte“ tatsächlich echt ist. Aber wer sich näher mit dem Rapper aus Berlin-Köpenick beschäftigt, merkt schnell: Romano ist keine Kunstfigur, sondern einfach ein musikbegeisterter junger Mann, der das oft nur so dahin gesagte „frei von Genregrenzen“ tatsächlich lebt. Roman Geike, so sein bürgerlicher Name, ist unter verschiedensten Pseudonymen schon als Sänger einer Rock-Band, als Drum’n’Bass-MC, Techno-Artist und Schlager-Barde in Erscheinung getreten – eine Lebensgeschichte, die man sich nicht mal eben ausdenkt. Wie das alles nun in der Figur des Romano zusammenkommt, hat uns der sympathische Cornerboy im Interview verraten:

Warum weinst du auf deinem Cover?
Man könnte vermuten, dass ich da traurig bin, aber ganz ehrlich: Ich hab das Album durchgehört – ich hab’s ja auch eingesungen – und wenn du durch die Tracks gehst und dieses Cover anschaust, entdeckst du immer wieder neue Emotionen. Bei Tracks wie „Romano & Julia“ sieht man mich ein bisschen traurig und wehleidig, aber bei anderen Songs merkt man plötzlich: Da ist so ein Verlangen in den Augen und der Typ ist an, der will, der hat irgendwas. Bei Tracks wie „Heiß heiß Baby“ sieht man das und auch in „Sextrain“ kann man das erkennen. Auf der einen Seite ist es eine melancholische Träne, auf der anderen Seite auch eine Freudenträne – das Gesicht erzählt einiges.

Wie würdest du deine Heimat Köpenick einem Fremden beschreiben?
Es hat verschiedene Facetten: Irgendwie ist es eine Kleinstadt, es ist aber auch noch Teil von Berlin. Du hast es grün draußen und kannst viel unternehmen: Schlittschuhlaufen im Winter auf dem Müggelsee, im Sommer im FKK abhängen mit ’nem Fernglas – grundlegend, die Natur ist da. Wenn ich raus fahre zieh ich mich sozusagen geistig für die Stadt an und wenn ich zurückfahre, zieh ich die Sachen wieder aus und steh dann nackt am Bahnhof Köpenick. Das ist meine Heimat, da bin ich groß geworden. Ich bin einige Male umgezogen, bin dort im Krankenhaus geboren worden und will da gar nicht weg. Das ist meine kleine Oase, wo ich künstlerisch entspannen kann und wieder auf lustige und geile Ideen komme und dann geht’s wieder in den Trubel der Großstadt, so muss man sich das vorstellen. Deswegen feiere ich Köpenick auch so.

Was hörst du privat?
Ursprünglich ganz früher so Achtziger-Jahre-Musik, durch die Mama auch RIAS und so. Dann ging’s in den Neunzigern weiter mit viel HipHop-Zeug, auch Metal, dann kam ich zu einer Rockband und hab über sechs Jahre mit denen Musik gemacht. Danach hab ich Drum’n’Bass gemacht, dann elektronische Musik mit Siriusmo und Jan Driver und währendessen ist auch Schlager entstanden. Es hat sich immer weiter in die verschiedensten Richtungen entwickelt, immer sehr facettenreich. Ich höre sehr sehr gerne weiterhin auch HipHop, aber vor allen Dingen auch Grime. Das ist für mich die britische Antwort auf HipHop – rotzigere Beats, afrikanische Rhythmen und auch vom Rappen her hochspannend. Du hast auf der einen Seite dieses roughe, die Mülltonne, auf der anderen Seite hast du dieses Goldkettchen, ein bisschen das HipHop-Gepose. Aber trotzdem ist die Straße da und ich habe das Gefühl, das ist bei vielen amerikanischen Acts in der letzten Zeit verloren gegangen. Ich bin einfach gelangweilt. Ich will nicht hören, was sich einer zuhause hinstellt. Ich kann mir auch Autos leasen und dann darüber rappen, was die für geile Reifen haben, aber das ist doch totaler Quatsch, was soll das. Ich will ein bisschen was vom Künstler erfahren, der soll mir mal was von sich erzählen und das ist dann cool.

Gibt es eine Musikrichtung, mit der du gar nichts anfangen kannst?
Das allerschärfste ist, ich habe sogar mal zu Gabber gerappt, weil ein guter Freund von mir lange Zeit Gabber-DJ war. Das war damals im Taucher in Berlin und es waren vielleicht fünfzig Leute. Da hast du alles gehabt, von Punks über irgendwelche Technoheads und Druffis bis zu einem Mann im Militärmantel mit Glatze. Das war für mich spannend, ich sauge das Umfeld mit ein und nicht nur die Musik allein. Die Musik spielt natürlich eine Rolle, aber das Gesamte interessiert mich, der Mensch. Wenn ich jetzt sagen würde, die Musikrichtung finde ich richtig scheiße und plötzlich treff ich aber jemanden, der mir genau in diesem Bereich etwas vorspielt, wo ich denke „man, krass, das packt mich“ – das kann man schwer erklären. Einer kann sagen, das ist richtig gut und sauber produziert worden, aber du hörst es dir an und denkst dir nur „was soll denn das“. Und ein anderer rotzt das in seinem kleinen Studio so hin und du wirst einfach emotional erwischt. Das kann eine Oper genau so sein wie ein klassischer Track. Ich höre auch gerne Klassik und wäre ganz gern mal als Opernsänger durchgegangen, hat sich aber noch nicht ergeben. Es gibt so viel Zeug, auf das ich Bock hab! Die Erde ist bunt, die Musik ist bunt und man sollte alle Farben mal checken.

Wer macht dir die Haare?
Ich probiere es selbst und komme immer mit so einem halben Zopf geflochten, mehr krieg ich nicht hin. Ich hol mir schon immer ein paar Tipps, soll ja dann auch irgendwie schick aussehen für die Leute. Das heißt entweder spreche ich die Ladies bei den Konzerten an oder ich gehe bei mir in Köpenick zu meinem Lieblingsfriseur und lass sie mir vorher flechten.

Woher nimmst du deine Styling-Inspiration?
Ich konnte mir Anfang der Neunziger die ganzen coolen Baseball- und Bomberjacken nicht leisten und hatte dann einen Windbreaker von den Vikings in lila, das war nichts Halbes und nichts Ganzes. Im Endeffekt hab ich mir von der ersten Azubikohle diese ganzen Kindheitsträume erfüllt und hab jetzt eine Selection von so zwanzig, dreißig Jacken, die man tagesverfassungsmäßig anziehen kann. Die goldene, die ihr in den Videos seht, ist eine Wendejacke: Man geht um zwölf in den Club und hat sie schwarz an, alle denken okay ganz normal und nachts um drei komme ich aus der Toilette mit der goldenen Jacke. Der Diskobeat ist an und ich werde angesprochen und es stimmt einfach alles.

Wie würdest du dich selbst in drei Worten beschreiben?
Charmant, dominant, markant.

Was macht dich aus und wie bist du zu dem geworden, was du heute bist?
Vor allem Family und Eltern. Mein Vater als Sprengmeister, Pyrotechniker, Feuerwerkler hat mich entscheidend geprägt. Und natürlich die Schulzeit: Als Kind hat mich dieser Song „I Want Your Sex“ von George Michael gepackt. Ich wusste nicht genau worum es geht, hab aber gemerkt, es ist ein anzügliches Thema, ein bisschen verboten und Kinder schauen gerne auch mal hinter den Vorhang. Ich hab das in der Schule performt und hab gemerkt, die Leute lieben das: Die Jungs geben Gangzeichen, die Mädels lachen voll und zeigen was sie haben. Ich hab gemerkt, da hab ich bock drauf und dann ist aus dem Zeigestab irgendwann ein Mikrofon geworden und von einer Audience von zwanzig Leuten ist es zu einer geworden, wo mal 500 Leute stehen, mal sogar 3.000 – und das macht Spaß!

Deine Songs handeln von sehr unterschiedlichen Themen – wovon lässt du dich bei den Texten inspirieren?
Man ist ganz schön nah dran an mir als Person. Der Kühlschrank ist offen für die Leute, die können reinschauen, was ich anbiete und ich steh ein bisschen nackt vor allen. Wenn du im Publikum ’nen Rapper hast, ’nen Metaler und ’ne Technomaus ist die Grundessenz einfach – die sind mit ihren Outfits abgelegt auch alle nur Menschen. Und das ist der Punkt wo ich ansetze: Wir sind alles Menschen und man muss auch Nähe zulassen. Oftmals ist es in Deutschland so, jemand lächelt einen an und man denkt direkt „Hilfe, der will an mein Bankkonto“. Ich zieh den Leuten einfach auf meine Art den Stock aus dem Arsch – oder gebe ihnen ’nen Klaps auf den Po!

Wie haben du und Siriusmo sich kennengelernt und wie kann man sich eure Zusammenarbeit vorstellen?
Moritz ist auch aus Köpenick und ist irgendwann Richtung Stadt gezogen, aber der Draht ist nie abgerissen. Er macht die Beats, ich rappe dann und wir überlegen uns coole Themen. Vor zwei Jahren ist das Video zu „Itchy/Cornerboy“ entstanden als Moritz meinte: „Ey Romano, du bist so ein vielseitiger Typ, ich will einfach mal so’n bisschen deinen Alltag filmen“ – und das haben wir gemacht. Kam gut an und wir dachten, wir bringen das mal auf einen Punkt und schaffen gemeinsam ein Projekt um meine Person, wo der Gedanke war die Leute so nah an mich heranzulassen, wie ich das möchte.

Was war der erste Track auf dem Album, den ihr – zumindest in den Grundzügen – fertig hattet?
„Sextrain“. Wir haben jeden Dienstag als Herrenabend festgelegt und einen Sixer Bier hingestellt. Der Jakob, der auch die Videos dreht, war auch dabei. Und dann kam die Frage auf, was ist ein brisantes Thema, das zum Einstieg taugt. Wenn du nach drei, vier Nummern einen roten Faden hast, passt das – aber man braucht erst mal diesen Einstieg. Ich hab gesagt, ich fahre so oft mit der Bahn und finde gerade, dass man, wenn man morgens unausgeschlafen und mit einem zu starken Kaffee intus unterwegs ist, so hochgeputscht ist, dass diese Übermüdung und der Kaffee zusammen dazu führen, dass man so sexy wird, so sexuell. Ich war in der Bahn und habe Leute beobachtet und wusste nicht genau, ob die was von mir wollen oder ob das eher so ein kurzer Blickkontakt ist und was da passiert. Dann wird man mal berührt und so etwas … Und dieser Zug an sich, mit ’nem Haufen anderen Menschen, es ist Sommer, es ist heiß, alle müssen da durch, da entsteht einfach eine brisante Stimmung – und das ist der „Sextrain“.

Was wäre aus dir geworden, wenn es mit der Musik nicht geklappt hätte – würdest du weiter in deinem gelernten Job als Mediengestalter arbeiten oder was wäre die Alternative?
Die Musik war und ist meine große Liebe und ich hab sie gehalten wie eine hübsche Frau, die ich nicht vernarben lassen will. Ich hab meine Jobs immer gemacht und war auch mit dem Verstand da und mit Liebe dabei, aber es war immer nur eine Notwendigkeit, um die Musik zu erhalten. Ich bin lieber morgens um sieben zum Job gefahren und war um 17 Uhr zuhause und fertig wie ein Loch, aber ich hab gesagt, der Musik tu ich das nicht an, dass ich irgendwas nachsinge, irgendwelche komischen Coverversionen rauskommen oder man probiert, irgendwas auf den Markt zu werfen, bloß damit es läuft. Man macht einfach Musik aus Liebe. Irgendwann wäre ich 70 gewesen mit einer kleinen Rente und hätte trotzdem noch weiter Musik gemacht, es wäre immer so gelaufen: Musik ist Priorität Nummer eins, für immer.

Was sagt deine Familie zu deiner Musik?
Die haben mit mir schon alles erlebt. Haben damals mit der Rockband mitgefiebert und waren beim Drum’n’Bass dabei. Mein Vater sitzt im hohen Alter noch am Rechner und hört sich meine Sachen an. Es ist vielleicht nicht alles gleich sein Thema, aber er steht hinter mir und feiert es und das ist total cool.

In der Vergangenheit hast du auch englische Texte veröffentlicht – warum bist du davon abgekommen und ist das für dich noch eine Option?
Wir haben alle verschiedene Persönlichkeiten in uns. Man ist ja nicht nur eine Sache, sondern es sind verschiedene Welten. Das englischsprachige ist MC Ramon bzw. der Cornerboy und der existiert ja weiterhin. Der ist mal kurz in mich reingekrabbelt und bleibt da erst mal ein bisschen, genau so wie der Schlager-Romano, der weiterhin existiert. Ich finde es aber auch gut, dass die Leute verstehen was ich sage und es einfach bewegt. Im Englischen bleibt es leider oftmals plakativ, aber die Leute können nicht dahinter schauen. Wir haben die Priorität jetzt mal auf den Romano gesetzt, der alles miteinander verbindet, bis auf das englischsprachige – aber der Rest bleibt natürlich vorhanden. Wenn ich das Gefühl habe, es wird mal wieder Zeit, kommt das auch wieder raus. Früher oder später wird auch noch eine neue Persönlichkeit von mir auftauchen, die gerade noch zusammengesponnen wird, lasst euch überraschen!

Spielst du selbst auch Instrumente?
Ich hab mal am Klavier den Flohwalzer geübt, das ging. Aber ich hab gemerkt, dass ich nicht die Ausdauer habe, ein Instrument zu lernen und habe mich immer sehr auf die Stimme konzentriert. Ich gehe zum Beispiel zum Ballett, da ist der Antrieb da. Ich würde mich am liebsten ein halbes Jahr lang in Moskau oder Sankt Petersburg wegschließen lassen, denke dann immer noch ich bin schlecht und komm raus und alle so „Wow, der hebt diese Frau hoch, der macht Pirouetten, da gibt’s kein Halten mehr, er springt von Busstation zu Busstation!“. Das würde ich gerne mal machen und vielleicht werde ich mir diesen Traum eines Tages erfüllen.

Mit wem würdest du musikalisch gerne zusammenarbeiten?
Ich würde gerne einfach nur fürs Feeling mal mit Snoop abhängen. Ich würd ihm Köpenick zeigen, wir könnten ein bisschen zwischen meinen Jugendstil-Schränken abhängen und uns beiden vielleicht noch in Köpenick eine Dauerwelle machen lassen und dann gehen wir zum Wasser runter, bisschen Enten füttern. Und Holger Biege, ein unglaublich geiler ostdeutscher Sänger. Der Typ hat Soul in der Stimme und damals im eingerosteten Osten schon Dinge gemacht, die kommen an Motown ran. Ich hab mit ihm mal fünf Minuten gequatscht und hätte auch echt gerne was gemacht, nur ist er momentan leider schwer krank und ich drücke ihm die Daumen, dass er sich bald erholt.

Von was braucht die Welt mehr?
Das Problem ist, wir beschäftigen uns permanent damit, was noch fehlt oder was wir noch brauchen. Wir sollten uns mehr damit beschäftigen, was wir haben. Wir könnten das Beste daraus machen, aber es wird permanent nur negativ berichtet und ich glaube, wir brauchen einfach mehr Liebe. Wir sollten Liebe zulassen und die Angst gehen lassen. Wir brauchen mehr Liebe und weniger Waffen, ein bisschen mehr mit den Mitmenschen beschäftigen, auch mal Empathie entwickeln, nicht nur Abgrenzung, jeder hat seinen Rucksack.

Famous last words?
Zeit für Gefühle, Zeit für Romano, Zeit für Liebe!

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„Jenseits von Köpenick“ erscheint am 11.09.2015
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