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Oper Sanierung

Plattform

PLATTFORM #86:
„Ja zur Oper, Nein zur Oper”
Von Tobias Rückle

Tobias Rückle Plattform Stuttgart re.flect

Ja zu neuen Spielstätten! Nein zu ausufernden Bauprojekten. Die Sanierung der Oper wird im Frühling nächsten Jahres im Landtag und im Stuttgarter Gemeinderat entschieden. Dabei geht es weniger um die kulturelle Bedeutung der Oper, vielmehr herrschen allgemeine Zweifel bei Bauprojekten mit Milliarden-Volumen, die durch durch die öffentliche Hand finanziert werden.

Kein Wunder: S21 und BER sind bemerkenswerte Negativ-Beispiele, die für sich stehen. Und während die Elbphilharmonie als Kultureinrichtung in diesem Fall vielleicht einen besseren Vergleich bietet, betrugen auch hier die Baukosten mit rund 866 Millionen Euro letztlich etwas mehr als das elffache der ursprünglich mit 77 Millionen Euro angesetzten Summe.

Man wollte dieses Mal von Beginn an realistische Zahlen liefern, beteuert das Kultusministerium. Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein – bezeichnend also, dass sowas überhaupt beteuert werden muss. Abseits von der rationalen Betrachtung mit Hilfe von Zahlen, könnte die Diskussion über die Sanierung der Oper außerdem viel grundsätzlicher ausfallen: Kultur als allgemeines Gut beinhaltet natürlich die Oper, jedoch auch sehr viele andere kulturelle Einrichtungen.

Da mehr und mehr ein Bewusstsein dafür entsteht, dass wir auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen leben, gilt es, die vorhandene sinnvoll zu verteilen – besonders im Hinblick auf Flächen. Das zeigt auch die Tatsache, dass die Interimsoper auf dem Gelände der Containercity ihre temporäre Heimat findet. Eine Fläche, auf der viele unterschiedliche kulturelle Projekte beheimatet sind. Diese Entwicklung zeigt erstens, wie rar Flächen für kulturelle Institutionen und Projekte sind und zweitens, dass in der Kulturlandschaft mehr als nur die „Hochkultur“ anzutreffen ist. Wer eine vielfältige Kulturlandschaft will, darf den Fokus nicht nur darauf legen.

Dass die Oper an die Container City temporär angesiedelt wird und somit dort Flächen für andere Projekte fehlen, zeigt eindeutig die Priorisierung der Stadt. Zumal die Oper selbst die Fläche am alten Post Depot favorisiert. Positiv wäre es hingegen tatsächlich, wenn die Container City, wie kürzlich angekündigt, dauerhaft bleibt und irgendwann auch anderen kulturellen Institutionen und Projekten zugute kommt. Der Ausgang bleibt dabei aber noch offen. Das Flächenargument spricht hier für die Instandsetzung alter Flächen, damit der Stadt keine Bestandsflächen wegfallen. Die Frage ist nur: Mit welchem Aufwand? Sicherlich kann man die Instandsetzung auch mit geringeren Mitteln umsetzten, jedoch beinhalten die zuletzt kommunizierten Kosten bereits die sechs Jahre Betrieb der Interimsoper an der Container City.

Die aktuelle Diskussion sollte auch nicht nur um Geld gehen, sondern auch darum, wie Entscheidungsprozesse bei staatlichen Großprojekte ablaufen. Hoffentlich spielt dabei der Stuttgarter Gemeinderat eine angemessene Rolle, denn andere Großprojekte zeigen, dass diese stets auch den Alltag der Bevölkerung beeinflussen – sowohl positiv als auch negativ. Manche Fraktionen im Gemeinderat bringen daher eine Volksbefragung ins Spiel. Das hätte mitunter auch den Vorteil, dass ein Interesse des Landes und der Stadt an einem gesellschaftlichen Diskurs besteht – eine weitere Parallele zum defizitären Großprojekt S 21. Bisher ist jedoch keine Bürgerbeteiligung geplant.

Die Zustimmung des Gemeinderats ist ebenfalls fraglich, da die jüngsten Gemeinderatswahlen eine neue Zusammensetzung hervorgebracht hat: Der Gemeinderat ist jünger geworden und beheimatet mehr Parteien als zuvor. Ein Gewinn, da es mehr Pluralität in den Gemeinderat bringt. Vor allem, wenn es sich um Parteien handelt, die vor der Zeit im Gemeinderat schon viel bewegt haben, wie z .B. die Agenda Rosenstein: Auf fünf der insgesamt 85 Hektar könnte ein neues Quartier entstehen, das mit Beteiligung der unterschiedlichen Akteure, eben auch der Bevölkerung, geplant wird. Die Stadt wäre sogar Eigentümer, somit wäre die Fläche im Besitz der Bürger. Die Ironie dabei ist, dass die frei gewordenen Flächen Resultat des Großprojekts S 21 sind. Umso wichtiger, dass Teile dieser Flächen im Besitz der Bürger bleiben sollen.

Der Flächenzuwachs ist auch das eigentliche Geschäft im Kontext von S21 – sehr viel weniger defizitär als der Bau des Bahnhofs. Der Vollständigkeit halber muss gesagt werden, dass das Konzept der Agenda Rosenstein zwar viele namhafte Unterstützer hat, jedoch die Planung noch nicht fortgeschritten ist. Vielleicht wird sich irgendwann mal häufiger der Gedanke durchsetzen, dass die Beteiligung ALLER Akteure eines Projekts ebenso zu mehr Akzeptanz des Umgesetzten in der Bevölkerung führen könnte. So hätte man bei der letzten Odyssee vielleicht verhindern können, dass die Polizei mit Wasserwerfern einem älteren Mitbürger das Auge heraus sprüht …

Mit Blick auf vergangene und kommende Projekte bleibt zu sagen: Die Sanierung der Oper ist eine große Chance, Dinge anders zu handhaben als in der Vergangenheit. Denn die wenigsten sind gegen den Fortbestand der Oper – vielleicht möchte der Großteil einfach kein negatives Déjà-vu erleben.

TOBIAS RÜCKLE, Pressesprecher des Clubkollektiv Stuttgart e.V., DJ, Veranstalter und Teil der LOVEiT-Crew.