Walking _again in FEAR: Ein Audiowalk macht geschlechtsbasierte Gewalt im Stadtraum erfahrbar

Am 11. September 2025 feiert das Projekt „Walking _again in FEAR“ des feministischen Theaterlabels silent ladies_ Premiere in Stuttgart. In Kooperation mit dem Studiotheater bringen die Künstler:innen einen Audiowalk mit performativen Elementen in den öffentlichen Raum, der sich mit dem Thema geschlechtsbasierte Gewalt auseinandersetzt. Die Besucher:innen erleben mit Kopfhörern einen rund einstündigen Spaziergang durch Stuttgart – konfrontiert mit Texten, Erfahrungsberichten und künstlerischen Interventionen.

Die Idee, dieses Thema im öffentlichen Raum zu verhandeln, ist dabei kein Zufall. „Der Stadtraum wird oft von Männern dominiert“, erklärt Luise Leschik, Mitbegründerin von silent ladies_. „Männergruppen treffen sich auf der Straße, nehmen Raum ein, machen es unangenehm für Frauen, diese Orte aufzusuchen.“ Auch Schauspielerin Dawn Patricia betont, dass der öffentliche Raum nicht nur Bühne, sondern auch Tatort ist: „Geschlechterbasierte Gewalt passiert genau hier. Wir wollen diese Angst, die jede FLINTA*-Person kennt, für Menschen erfahrbar machen, die davon nicht betroffen sind.“

Gleichzeitig richtet sich der Blick des Projekts nicht nur nach außen. Wie die Macher:innen betonen, ist auch der private Raum ein zentraler Ort geschlechtsspezifischer Gewalt. „Die meisten Gewaltverbrechen passieren im privaten Raum“, so Luise. „Oft fängt es aber im öffentlichen Raum an und endet im Privaten.“ Die künstlerische Auseinandersetzung macht somit auf beide Dimensionen aufmerksam: auf das strukturelle Machtgefälle im öffentlichen Raum und die unsichtbare Gewalt im häuslichen Bereich.

Persönliche Erfahrungen der Künstler:innen bilden die Grundlage vieler Textpassagen im Audiowalk. „Es gibt Erfahrungen, die viele Frauen teilen“, sagt Luise. „Das Gefühl, abends im Dunkeln nach Hause zu gehen und sich nicht sicher zu fühlen. Wenn man verfolgt wird, wenn man ge-catcalled wird – oder Schlimmeres.“ Zugleich sei den Beteiligten im Prozess bewusst geworden, „wie sehr Institutionen an der Aufrechterhaltung von geschlechterbasierter Gewalt beteiligt sind.“
Die Frage nach dokumentarischem Material und der Darstellung realer Fälle wurde sensibel behandelt. Das Team stand im Austausch mit verschiedenen Institutionen wie der Frauenberatungsstelle Stuttgart und Wildwasser e.V. Doch viele Fälle sind nicht öffentlich oder aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht künstlerisch verwertbar. Daher haben die silent ladies_ auf öffentlich zugängliche Informationen zurückgegriffen: „Wir haben einige Femizide aus dem Jahr 2024 eingebunden, die von der Initiative femizidestoppen gesammelt wurden“, erklärt Leschik. Zusätzlich flossen eigene Erfahrungen und Beobachtungen in die Texte ein, ohne Gewalt durch Detailtreue zu reproduzieren.

Ziel des Projekts ist es, verschiedene Perspektiven zu eröffnen: „Wir hoffen, für nicht-FLINTA* diese Erfahrung erfahrbar zu machen – dass sie quasi einmal in den Schuhen einer FLINTA* laufen können“, so Luise. „Und für FLINTA* ein Gefühl von Kraft zu geben, dass sie nicht allein sind.“ Neben dem Audiowalk wird auch ein Selbstbehauptungsworkshop angeboten, der Betroffenen praktische Werkzeuge zur Stärkung an die Hand geben soll.
Das Projekt versteht sich nicht als rein künstlerische Arbeit, sondern als gesellschaftlicher Appell. „Wir wünschen uns mehr Rücksichtnahme aufeinander, weg von diesem hegemonialen Männlichkeitsbild“, sagt Luise Leschik. „Weg von geschlechterbasierten Zuschreibungen, hin zu einer Gesellschaft, die das Gegenüber wertschätzt und so weniger Angst im Leben von FLINTA*-Personen zulässt.“

Info: Walking _again in FEAR


11.–13.09. & 25.–29.11.2025
ab 14 Euro
Treffpunkt bei Ticketkauf angegeben
studiotheater.de
silentladies.de
instagram.com/silentladies
22.08.2025 — Sabrina Kir
Ad
Anzeige