Tosin: Wollen wir uns kurz vorstellen? Ich bin Tosin Stiefel und leite den neuen Fachbereich Kunst im öffentlichen Raum, den es nun seit knapp einem Jahr innerhalb des Kulturamts gibt. Ich war davor auch schon im Bereich Kultur im öffentlichen Raum bei der Stadtentwicklung im Kulturamt tätig und bin total happy, dass es jetzt den Fachbereich und vor allem auch die Gelder nur für dieses Thema gibt. Laura: Ich bin Laura und arbeite als künstlerische Leiterin vom „Current“-Festival hier in Stuttgart. Seit letztem Jahr sind wir Teil des Programms Kunst im öffentlichen Raum. Uns beschäftigen Dinge wie zum Beispiel die Art, wie Kunst in Prozesse zur Stadtentwicklung eingreifen kann. Wir sehen uns aber auch als Impulsgeber, um in eine Richtung zu denken und Sachen auszuprobieren. Wir diskutieren, was Kunst im öffentlichen bzw. urbanen Raum ist und welche Bedingungen erforderlich sind. Sylvia: Ich heiße Sylvia Winkler, bin Künstlerin und arbeite viel im öffentlichen Raum mit meinem Partner Stephan Köperl zusammen. Wir sind viele Jahre sehr häufig gereist und haben sehr viele Kunstaktionen in fremden Ländern gemacht. Und wenn man auf Reisen ist, dann ist der öffentliche Raum ja das, was sich einem zunächst erschließt, um eine Stadt oder einen Ort wirklich kennenzulernen. Man braucht nicht unbedingt einen Ausstellungsraum. Uns war schon immer wichtig, die Arbeiten für einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Situation spezifisch zu entwickeln. Unsere Arbeit basiert immer auf Recherche. JEROO: Mein Name ist JEROO und ich bin eher für die Malerei und die Fassadengestaltung zuständig – und das mittlerweile schon recht lange. Mittlerweile sind es schon 30 Jahre, die ich im urbanen Umfeld von Stuttgart unterwegs bin. Außerdem habe ich ein Graffiti-Lehrbuch geschrieben. Tosin: Ich muss sagen, ich bin total froh, dass wir jetzt in der Runde zusammen sind und dass es überhaupt die Möglichkeit zum Wortwechsel gibt. Das Thema Kunst im öffentlichen Raum hat mit der ersten „Current“-Ausgabe in Stuttgart viel an Bedeutung zugenommen und jetzt mit dem Beschluss des neuen Programms wird das alles auch nochmal auf ein anderes Level gehoben. Wir haben gemeinsam überlegt: Was braucht es hier in Stuttgart, um noch mehr Kunst in den öffentlichen Raum zu bekommen und welche Bedingungen sind notwendig, damit Künstler:innen ihre Ideen so einfach wie möglich durchsetzen können? Das war ein sehr, sehr guter Aufschlag. Wir haben jetzt verschiedene Bereiche entwickelt und abgesteckt, die wir in den nächsten Jahren umsetzen wollen und ich bin einfach total gespannt, wie sich das weiterentwickelt. Was sind so eure Richtungen fürs nächste Jahr? JEROO: Es ist jetzt schon ein großer Step gemacht worden mit dem Programm und dem Festival, das ist auf jeden Fall schon mal gut. Ich muss sagen, ich bin eigentlich relativ zufrieden. Laura: Wir werden vom 14. bis 24. September die zweite Ausgabe vom „Current“ machen und uns dabei auf Cannstatt konzentrieren. Wir haben uns den Stadtbezirk herausgesucht, da hier viel im Umbruch ist und passiert und werden dort an verschiedenen Orten Aktionen, Installationen, Performances und Dialogformate durchführen. Aber wir gehen da stark in den Diskurs darüber, was Kunst im öffentlichen Raum heutzutage macht, wie wir in die Zukunft schauen können und eben auch diese Verzahnung zur Stadtentwicklung. Tosin: Ich glaube, das ist ein total guter und wichtiger Schritt, dass ihr mit der „Current“-Ausgabe in Bad Cannstatt seid und damit ja auch ein Zeichen setzt, dass dort gerade viel passiert. Auch die Stadt und Gemeinderäte haben darüber gesprochen, dass es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten so viele Tranformationsprozesse geben wird, die wir gerade teilweise schon erleben: räumlich, stadtplanerisch aber auch gesellschaftlich. Ich glaube, dass Kunst im öffentlichen Raum das Potenzial hat, um dem Ganzen auf einer anderen Ebene zu begegnen. Das „Current“ ist einfach ein super Format, um das gebündelt zu tun. Sylvia: Ich freue mich sehr aufs nächste „Current“ und ich find’s total wichtig, dass ihr nach Cannstatt geht. Eigentlich muss die Kunst im öffentlichen Raum auch noch viel weiter raus. Stephan und ich hatten mal eine Reihe gemacht außen rum und das war teilweise ganz schön harsch muss ich sagen, weil wir sehr performativ und partizipativ arbeiten und dem dann auch in einer gewissen Art und Weise ausgesetzt sind. Man steht da dann mit seiner Installation und ist einfach sehr angreifbar. Auch das Soziale ist bei Kunst im öffentlichen Raum sehr wichtig! Kunst kann ein Anlass sein, sich zu begegnen und da kann alles passieren: Manche schreien einem ihren Hass entgegen, andere sind völlig einsam und freuen sich, dass sie mit jemandem sprechen können. Das ist irgendwo auch ein Realitäts-Check.

von links nach rechts: Sylvia, Tosin, Jeroo, Laura
