Zwei Jahre nach ihrem Debütalbum „Aversion“ und ein Jahr nach dem Mixtape „Abwasser“ legen Danger Dan, Koljah und Panik Panzer mit dem Album „Anarchie und Alltag“ nach. Neben neuem Rap-Output haben sich die Jungs auf der Bonus-CD zur Deluxe-Version der Platte allerdings auch in anderen Genresparten ausgetobt und mit musikalischen Gästen verschiedenster Art altbekannte Songs neu aufgelegt. Wie es zu diesem gemischten Doppel kam, welchem Lebensstil die Antilopen auf Tour frönen und was er eigentlich auf Tinder sucht, hat uns Danger Dan im Interview verraten.
Wie entsteht bei euch ein Song, gibt es einen typischen Ablauf?
Es gibt eigentlich zwei Modelle, die sich durchgesetzt haben: Wenn das Lied ernstere Themen behandelt oder eher traurig oder politisch ist, hat meistens einer von uns alleine zuhause die Idee entwickelt und eine Strophe oder den Refrain geschrieben. Dann treffen wir uns irgendwo, quatschen darüber und feilen das gemeinsam aus. Wenn das Lied totaler Klamauk ist und es eher darum geht, dass wir total dumm sind, uns den Kopf stoßen oder sonstige absurden Inhalte hat, dann ist die Idee meist aus einer Gruppendynamik heraus entstanden. Sonst kann man nicht viel dazu sagen, wer was macht – außer, dass jeder seine eigenen Strophen selbst schreibt, haben wir keine Dogmen.
Wie macht ihr euch an die Songauswahl fürs Album?
Es gibt immer Lieder, die wir hören und uns direkt denken das wäre richtig geil, aber es gibt auch immer wieder Kandidaten, wo wir im Entstehungsprozess des Albums merken, der passt überhaupt nicht mehr zu den anderen und deshalb kommt er lieber erst mal zur Seite. In diesem Fall war’s so, dass wir sau viele Ideen hatten und ganz viel aussortiert haben. Bei allen, die drauf gekommen sind waren wir uns von Anfang an einig, dass die cool sind. Es gab noch ein paar mehr, die wir auch alle cool fanden, aber die haben wir dann irgendwie kaputt produziert oder es hat sich verlaufen oder wir haben so lange daran herumgedoktert, bis wir es nicht mehr gefühlt haben und sie dann wieder weggeworfen.
Das Thema der Platte entsteht also erst mit den Songs?
Mal so, mal so. Ich und Panik Panzer basteln den ganzen Tag an irgendwelchen Beats rum und haben irgendwelche Skizzen, Koljah hat mit Instrumenten gar nicht viel zu tun und schreibt meistens direkt auf die Musik, die entsteht und bei mir kann das an sich gleichzeitig entstehen. Manchmal ändern sich die Themen auch im Prozess des Liedes. Auf der Platte gibt’s zum Beispiel den Song „ALF“, wo drei so unterschiedliche Strophen sind, dass das ganze Thema sich verändert hat und man am Ende gar nicht mehr sagen kann, worum es da eigentlich geht – um Fremdheitserfahrungen oder um Depressionen oder um Alf, den Außerirdischen? So etwas verändert sich einfach im Prozess.
Im neuen Song „Tindermatch“ wollt ihr ein etwas unkonventionelles Pärchen verkuppeln …
Lutz und Denis haben wahrscheinlich viel mehr Gemeinsamkeiten, als ihnen selbst recht ist und es würde eher eine Vernunftehe werden – wenn sie denn mal irgendwann zur Vernunft kommen. Aber manchmal gibt es eben so abstruse Pärchen, wo man das erst auf den zweiten Blick sieht …
Was würde man auf deinem Tinderprofil lesen?
Ich habe mir das neulich mal eingerichtet und danach gemerkt, dass ich Facebook ganz falsche Daten von mir gegeben habe, so was wie in den Sechziger Jahren geboren zu sein, und alles total verdreht habe, als ich das Profil angelegt habe, weil ich dachte das sei total sukzessiv und toll und ich könnte dafür sorgen, dass sie mir nicht die Werbung schalten, die ich auch sehen will. Als ich dann neulich Tinder installiert, hab’ ich gemerkt ach du scheiße, da steht ja sogar Antilopen Gang als Arbeitgeber! Dann habe ich versucht das wieder zu löschen und gemerkt wie einfach man sich anmelden kann und wie komplex es ist, sich da wieder abzumelden: Man kann nicht einfach die App deinstallieren und dann ist das Profil weg, sondern ich musste mir richtige Tutorials anschauen, wie ich da wieder raus komme – das war für mich eine große Enttäuschung und weil ich meine Daten so falsch angegeben habe, bekam ich dann auch nur Menschen zu sehen, die ich so auf den ersten Blick, äh, nicht unbedingt kennenlernen wollte. Aber vielleicht hab ich denen auch unrecht getan, ich weiß es ja nicht!
Wie kam es zu den Feature-Gästen auf dem Album?
Mit Fatoni sind wir seit Langem befreundet, haben auch schon zusammen auf seinem Album und dem von Juse Ju Lieder gemacht und sind mit ihm zusammen auf Tour gewesen. Wir hatten ihn als Vorgruppe dabei und er ist einfach ein begnadet guter Rapper. Deshalb war klar, egal welches Lied wir ihm geben, er wird etwas schreiben, das alles, was wir selbst bis dahin schon geschrieben haben, bei Weitem übertrifft – und so war es dann auch. Wir hätten ihm wahrscheinlich auch jedes andere Lied geben können, der ist so eine Kreativkanone, dass er sich auch bei jedem anderen Song prima eingefügt hätte. Mit dem zweiten Gast war es so: Wir haben ja noch eine Punk-Platte als Bonus gemacht und wollten unbedingt Schorsch Kamerun von den Goldenen Zitronen dabei haben und haben ihn gefragt, ob er nicht Lust hat, mit uns so ein Punk-Stück zu machen. Und er meinte nur „Ach Leute, Punk, das hab ich doch gemacht, da war ich so klein und jetzt ein Punklied zu machen hat für mich auch was Konservatives – ich würde lieber bei ’nem HipHop-Stück mitmachen!“ Und dann hatten wir sowieso diese Baustelle bei dem einen Lied, wo uns kein guter Refrain eingefallen ist und haben gemeint „hier, was hältst du davon?“ und am nächsten Tag hat er uns schon Spuren geschickt, das war total locker. Ein sehr begnadeter Musiker und richtig toller Typ. Ich bin froh, dass er dabei ist!
Was hörst du selbst für Musik?
In den letzten Tagen hab’ ich wieder so Reggae-Anfälle und hör’ so Skinhead-Reggae, so Trojan Records Zeug, rauf und runter. Von The Wrigglers gibt’s ein Lied „The Cooler“, in dem es darum geht, dass sie die cooleren sind – „ihr glaubt, ihr seid die Ruler, aber ich bin cooler“, ungefähr so geht der Text (lacht). Das gefällt mir sehr gut. In den letzten Tagen höre ich gerne so Rockabilly- und Skinhead-Zeug, ansonsten habe ich mir die Feine Sahne Fischfilet Show im Rockpalast angeschaut, da gibt es einen Live-Mitschnitt in der ARD-Mediathek gerade, und das hat mir auch Spaß gemacht denen zuzuschauen. Finde ich als Live-Musiker sogar noch besser als die Platten – um es mal positiv auszudrücken.
Wie stehst du zu Deutschrap, bist du privat eher schon davon gesättigt?
Es ist auf jeden Fall so, dass ich mich schon interessiere und mir immer wieder gerne neue Sachen anhöre, aber es ist ganz selten was dabei, was dann irgendwie länger rotiert auf meinem iPhone oder Computer. Wie wahrscheinlich die meisten fand ich so Cloudrap-Zeug im letzten Jahr viel interessanter als das, was an so klassischem Rap rausgekommen ist. Aber auch das hat sich bei mir irgendwie ganz schnell wieder totgehört. Wenn ich gerade deutschsprachige Musik höre, dann eine alte Platte von 1981: „Der Ernst des Lebens“ von Ideal. Ich bin eher so rückwärtsgewandt – weiß aber auch nicht, ob das an mir liegt oder an der aktuellen Lage in Musikszenen, vielleicht ist es auch eine Kombination. An aktuelleren Sachen fand ich die EP von Haiyti irgendwie gut.
Gibt es umgekehrt einen aktuellen Hype, den du gar nicht nachvollziehen kannst?
Richtig auf den Nerv, dass ich total sauer bin und mir denke „warum gibt’s diese scheiße?“, gibt’s grade auch nichts, aber gemerkt, dass so ein Hype irgendwie völlig an mir vorbeigegangen ist habe ich erst kürzlich: Da gab’s so ’ne japanische metalmäßige Rockband, die in Deutschland auf Tour waren und komplette Hallen gefüllt haben, wo tausende Leute aus allen Ecken kommen mit ihren Manga-Outfits und es gibt voll die abgefahrene Szene drumherum. Mir fällt der Name grade nicht ein, aber eine Freundin von mir hat da in der Produktion gearbeitet. Da gibt’s scheinbar eine Jugendkultur, die komplett an mir vorbei gewachsen ist. Das fand ich auf jeden Fall erstaunlich und was außerdem auch einfach kacke ist, ist wenn diese ganzen Youtuber anfangen zu rappen. Das ist von vorne bis hinten falsch und ich möchte auch nicht, dass das weiter so passiert.
Wenn Zeit und Geld keine Rolle spielen würden, mit wem würdest du zusammenarbeiten?
Mit Jim Morrison würde ich gerne mal in irgendeinem Pariser Hotelbadezimmer Heroin nehmen oder wenigstens Opium rauchen, das wäre so ein Traum. Ich hab auch The Doors noch mal zumindest mit Ray Manzarek live gesehen, als ich in Frankreich war, weil ich ein großer Fan der Band bin. Einen Song mit denen machen zu können würde mir schon Spaß machen. Und sonst mit Georg Kreisler zum Beispiel so einen Liederabend gestalten, das wäre auch schön gewesen, habe ich aber auch leider verpasst.
Was ist dein Rezept für Weltfrieden?
Pizza! Das ist ein Grundwert, auf den sich alle einigen können. Alle Menschen lieben Pizza, auf der ganzen Welt gibt es so etwas ähnliches wie Pizza – ob jetzt als Lahmacun, Flammkuchen oder Injeera – aber intuitiv sind die Menschen auf der ganzen Welt seit Jahrtausenden auf die Idee gekommen, Pizza zu backen und wenn sie die dann essen geht’s ihnen gut, sie sind im Hier und jetzt, tun niemandem was und haben auch keinen Hunger mehr. Mit Pizza kommen wir alle schon ein großes Stück weiter!
Ihr seid demnächst auch wieder auf Tour. Was macht ihr als Erstes, wenn ihr in einer neuen Stadt ankommt?
Meistens wachen wir auf und nehmen Schmerztabletten, ächzen und stöhnen, weil wir noch so gerädert sind vom Vorabend, laufen so langsam warm über den Tag, haben unglaublich viel Zeug dabei, das wir mitschleppen und auf Bühnen installieren müssen und damit geht der halbe Tag auch schon rum. Dann dreht sich das Karussell noch eine Runde und wir spielen unser Konzert, werden euphorisch, schaffen es hinterher nicht runterzukommen außer wenn wir uns betrinken, feiern mit den Leuten, drehen auf und irgendwann wache ich im Nightliner in der nächsten Stadt auf und mir tut wieder alles weh. Das Perpetuum Mobile des Grauens. Man könnte es auch einiges relaxter gestalten, aber irgendwie haben wir uns als Antilopen die Hörner dann doch noch nicht abgestoßen und nehmen an autoaggressivem Verhalten, Party und Möglichkeiten alles mit, was wir noch kriegen können.
Gibt es einen Song, auf den ihr euch bei Shows immer besonders freut?
Ich freu mich die Songs vom neuen Album zu performen, weil die um einiges schneller sind als die vom alten. Ich glaube, die sind sehr viel live-tauglicher. Unser Smashhit „Atombombe auf Deutschland“ zum Beispiel, da freu ich mich richtig drauf. Von unserem alten Set war für mich bei „Anti Alles Aktion“ immer ein Highlight, wenn es irgendwie punkig wurde, aber ich mag auch diese ruhigen Momente mit Klavierspielen und singen. So was wie „Enkeltrick“ macht total viel Spaß mit vielen Leuten zusammen zu grölen und sich in den Armen zu liegen. Ich mag besonders die extremen Momente, ob sie mal eher traurig sind und einen berühren, wo auch durchaus mal ein paar stille Sekunden nach dem Lied im Raum stehen bleiben können bevor die Leute applaudieren, oder aber eben, wenn alle durchdrehen und pogen und auf der Bühne Wertgegenstände abgegeben werden.
À propos, was war das skurrilste, was bei euch auf der Bühne gelandet ist?
Wir hatten tatsächlich mal ein Konzert in Erlangen, wo es einen wilden Pogo-Mob vor der Bühne gab, aber auch eine Treppe im Zuschauerraum war, sodass die Menschen dermaßen übereinander gefallen sind, dass unglaublich vielen Leuten Sachen verloren haben und dann wurde Goldschmuck auf der Bühne abgegeben und man konnte fragen „wem gehört die Goldkette?“. Schön ist, dass sich der Besitzer dann wirklich wieder gefunden hat und nicht auf einmal alle im Raum behauptet haben, das gehöre ihnen. Was auch gerne über die Bühne fliegt sonst ist Koljah Kolerikah, der auch schon mehrfach gestürzt ist und da rumfliegt.
Gibt es von den alten Songs einen, den du selbst gar nicht mehr hören kannst?
Man entwickelt sich ja weiter und irgendwie hat alles seine Zeit und manchmal ist die Zeit dann auch vorbei. Es ist jetzt nicht so, dass ich sage „boah, war das scheiße!“ oder so, weil ich den Kontext von den Liedern ja noch kenne und damit etwas verbinde, aber es gibt natürlich Lieder, die ich so nicht mehr schreiben würde, weil sie mir irgendwie zu whack wären. Beim „Aversion“-Album war das „Unterseeboot“, was ich selbst skippen muss wenn ich das höre und das ganze Album von Koljah und Jakob was die mal gemacht haben, „Motto Mobbing“, das hör ich nie, das ist echt richtig schlecht – aber meine Solo-LP „Dinkelbrot mit Ölsardinen“, die finde ich zum Beispiel sehr gut!
Was macht die Antilopen Gang in zehn Jahren?
Das ist eine gute Frage und leider einfach nicht abzusehen. Die letzten Jahre waren sehr turbulent mit tieferen Tiefen, als wir in unseren schlimmsten Alpträumen gefürchtet haben, und höheren Höhen, als wir je gewagt haben uns vorzustellen. Das wir jetzt beispielsweise diese Punkrock-Scheibe mit allen Helden unserer Jugend machen konnten, mit Leuten, von denen wir seit Jahrzehnten Fans sind, so etwas hätten wir uns niemals gewagt zu träumen und von daher überfordert mich diese Frage auch ein bisschen, was danach eigentlich noch kommen soll. Ich bin selbst gespannt und habe das Gefühl, es ist so viel Anarchie im Alltag, die gar nicht zu beeinflussen ist. „Wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende“, oder wie man sagt.
Gibt es sonst noch eine Poesiealbum-Weisheit, die du loswerden möchtest?
Die wichtigste ist, und das will ich allen auch nur ans Herz legen, ist: „Lebe glücklich, lebe froh, wie der Mops im Haferstroh!“
„Anarchie und Alltag“ ist am 20. Januar erschienen
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