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Digital-Berlinale 2021

Die 71. Berlinale und erste Online-Berlinale ist nun schon wieder vorbei. Auch wenn der Verzicht auf heimelige Kinosäle schwer fiel, so muss man die Organisatoren für die vor allem auch technisch gut funktionierende Presse-Website loben.

Inhaltlich beeindruckend war zweifellos der iranische Wettbewerbsbeitrag “Ballad of a white cow”. Die Witwe eines zu Unrecht Hingerichteten versucht mit ihrer taubstummen Tochter durchs Leben zu kommen. Ohne, dass sie weiß, wer er ist, hilft ihr einer der für das falsche Urteil verantwortlichen Richter. Wie schon bei vielen vergangenen Berlinalen überzeugt ein iranischer Beitrag durch Dialogqualität und die ruhige, aber packende Darstellung des dortigen Alltags.


Ballad of a white cow

Zudem muss man attestieren, dass sich Maren Eggert den Silbernen Bären für ihre Hauptrolle in “Ich bin Dein Mensch” redlich verdient hat. In dem Film lässt sich die Protagonistin einen humanoiden Roboter als männlichen Wegbegleiter „schnitzen“ und kann sich nicht so recht entscheiden, ob sie es sensationell oder abstoßend finden soll. Ein Film, der durchaus gekonnt zur Selbstreflektion des heutigen Zeitgeists einlädt.


Ich bin dein Mensch

Der Goldene Bär für den rumänischen Film “Bad luck banging or loony porn” ist überraschend aber durchaus eine spannende Auswahl. Eine sehr innovative Persiflage auf die Doppelmoral allgemein, aber ganz besonders in autoritär (angehauchten) Staaten. Teilweise grandioser Humor und einfach mal was ganz Anderes. Es beginnt jedenfalls alles mit einer sehr expliziten Sexszene, die auf Video aufgenommen wird und in die falschen Hände gerät – mehr wird nicht verraten.


Bad luck banging or loony porn

Zum Abschluss muss man den deutschen Wettbewerbsbeitrag “Herr Bachmann und seine Klasse” erwähnen. Der Film wird im September 2021 – so das Virus will – in die Kinos kommen. Lasst Euch nicht vor der epischen Länge abschrecken. Das ist quasi “Fack Ju Göthe” ohne Schminke. Man kann entweder pausenlos schmunzeln oder weinen.


Herr Bachmann und seine Klasse

In dieser Film-Doku beobachten wir die Arbeit des Lehrers Bachmann und man stellt sich zwangsläufig die Frage wie viele Lebensläufe in Deutschland sinnlos in einer Sackgasse enden, weil kein Herr Bachmann da ist, um sie gerade zu biegen oder dies zumindest mit diesem irrsinnigen Engagement und Einfühlungsvermögen zu versuchen. Und inwiefern unsere Gesellschaft den Bachmanns dieser Republik genug Wertschätzung entgegen bringt – nicht nur, aber auch, in Geld ausgedrückt. Traurig. Schön. Bitter real. Sehenswert.

So bleibt die Hoffnung auf eine ganz und gar „reale“ Berlinale 2022. Wobei, was ist in diesen Zeiten schon real.

Artikel: Thorsten Majer

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