Seine Wurzeln hat Johannes Brecht im Jazz, bekannt ist der Stuttgarter aber insbesondere für seine elektronische Musik. Mit viel Klangtexturen, Orchesterinstrumenten und analogen Synthesizern schafft der ausgebildete Musiker einzigartige Soundwelten, deren organische Struktur man auch auf der im März auf Vinyl erscheinenden zehnten Ausgabe der Diynamic-„Picture“-Reihe deutlich erkennt. Wir haben uns mit Johannes am Feuersee getroffen und mit ihm über seinen Werdegang, sein neuestes Werk und legendäre Auftritte unterhalten, bei denen sogar Solomun in der ersten Reihe tanzte.
Wie kamst du zur Musik?
Ich habe schon als kleiner Junge mit Klavierunterricht und später dann mit Kontrabass-Unterricht angefangen. Danach habe ich die Musik intensiviert und Kontrabass und Jazz in Stuttgart studiert. Später wurde dann elektronische Musik daraus.
Wie kam es zu diesem Wandel?
Ich habe elektronische Musik privat sehr zelebriert. Durch Zufall habe ich dann einen Kollegen kennengelernt, für den ich damals etwas im Studio gemacht habe. Das war Henrik Schwarz, der dann gesagt hat, ich solle doch meine eigene Platte machen.
Wie würdest du deinen Sound in drei Worten beschreiben?
Elektrisch, akustisch und analog.
Wovon hast du dich für dein neues 4/4-Minialbum auf Diynamic inspirieren lassen?
Eigentlich sind es sehr unterschiedliche Stücke. Daher ist auch die Inspiration sehr unterschiedlich. Manchmal sind es Instrumente oder Geräte, die einen auf neue Ideen bringen. Manchmal ist es aber auch ein Gefühl. Es gibt eine Nummer „Higher Ground”, bei der das zentrale Element mein Klavier ist. Das war natürlich dann auch meine Inspiration. Bei einem anderen Song – „Desire” – ist die Inspiration dann eher das Gefühl gewesen.
Wenn du dir einen Artist aussuchen könntest, mit dem würdest du gerne zusammenarbeiten?
Ich würde sagen James Blake. Ich arbeite an sich sehr gerne mit anderen Sänger:innen zusammen. Da gibt es natürlich auch die eine oder andere Idee.
Welcher Track läuft bei dir gerade in Dauerschleife?
Ich mag die Sachen von James Blake wirklich sehr, aber auch das gesamte Umfeld von ihm.
Wo siehst du dich als Artist in 5 Jahren?
Hoffentlich auf einer Bühne!
Hast du da eine bestimmte im Blick?
Ja. Ich liebe Festivals, ich finde es grundsätzlich toll, an der freien Luft und in der Sonne zu spielen. Dann wäre meine Antwort auf die Frage wahrscheinlich auf irgendeiner schönen Festival-Bühne. Die „Fusion” finde ich toll oder aber auch das „Sonar”-Festival in Barcelona. Für die Zukunft fände ich die „MUTE” in Mexiko auch ganz interessant.
Du kommst ja aus der Umgebung von Stuttgart – kennst du die elektronische Szene hier gut?
Eher so mittel. Ich habe ja Jazz studiert und war deshalb eher in der Jazz-Szene unterwegs, zum Beispiel im BIX. Dort hatte ich auch jahrelang eine Veranstaltung. Das mit der Elektronik hat sich dann erst viel später entwickelt. Deswegen gibt es auch nicht so eine richtige Verbindung zu lokalen Menschen. In Stuttgart fehlt meiner Meinung nach ein bisschen die Kontinuität und der Ort für die elektronische Musikszene. Es ist ja schon etwas verrückt, dass es hier so gut wie nichts mehr gibt leider. Das ist ein großes Problem an Stuttgart. Als ich noch selbst Konsument war, war das viel besser. Da gab es noch eine ganz andere Energie, zum Beispiel im Rocker.
Gehst du denn auch selbst in Stuttgart feiern?
Die Romantica finde ich ganz nett und süß. Dort herrscht eine gute Energie, man spürt den Vibe.
Wo bist du außerhalb von Stuttgart unterwegs?
Amsterdam liebe ich tatsächlich. Das „Trouw” war zum Beispiel ganz fantastisch, aber auch die „Marktkantine”. Paris liebe ich auch. Aber in Deutschland ist nicht so viel dabei.
Welche Entwicklung für elektronische Musik würdest du dir generell wünschen?
Ich finde es toll, dass die elektronische Musik global zu einem so großen Ding wurde. Man muss natürlich ein bisschen aufpassen, dass dieser grundsätzliche Vibe nicht wieder verloren geht. Ich finde, das hat sich schon verändert. Die elektronische Musik ist sehr kommerziell geworden, sehr durchmischt. Früher war das mehr eine Szene, auch vom Publikum her. Jetzt hört die Musik ja jeder. Dadurch hat sich auch die Art verändert, wie und was die DJs spielen. Am besten fände ich es, wenn beide Welten nebeneinander bestehen – sprich auf der einen Seite die elektronische Szene und auf der anderen Seite die Kommerzialität.
Wann hast du mit elektronischer Musik angefangen und welchen Rat würdest du deinem jüngeren Ich heute mitgeben wollen?
Das war 2013. Da habe ich meine erste Platte gemacht. Ich habe mir am Anfang meiner Karriere vielleicht an der einen oder anderen Stelle ein bisschen zu viel Stress gemacht. Ich hätte wahrscheinlich mehr Ruhe haben können. Das war damals aber natürlich auch eine Aufbruchstimmung, deswegen war das dann auch ok.
Welche musikalischen Ziele möchtest du in diesem Jahr erreichen?
Ich habe letztes Jahr im Herbst einige Sachen mit meinem alten Trio aufgenommen, also mit meinen Jazz-Leuten. Das sind Matteo Capreoli am Schlagzeug und Antonia Faris an den Tasten. Mit den beiden war ich in Berlin in einem tollen neuen Studio und wir haben tatsächlich drei Tage lang nur improvisiert. Wir haben uns quasi eingesperrt und waren völlig frei. Jetzt gibt es da ganz viel Material, das ich bei mir auf dem Computer habe und aus dem ich versuche, Musik zu machen. Das muss jetzt dieses Jahr fertig werden und eventuell kommt es auch schon raus – das Trio muss unbedingt an den Start!
Sind deine zwei Kollegen auch aus der Region Stuttgart?
Die beiden waren damals auch immer mit im BIX bei den Gigs. Matteo ist mittlerweile tatsächlich in Italien. Toni ist noch hier.
Was ist dein Lieblingsort in Stuttgart?
Was ich an Stuttgart toll finde, ist die Natur um die Stadt herum. Der Bärensee ist sehr süß, aber auch die Wälder generell um Stuttgart find ich toll, auch zum Fahrradfahren. Am Neckar flitze ich auch gerne entlang.
Wo gehst du in Stuttgart am liebsten aus und warum?
Ich war neulich mit einem Kollegen im Yart, das war für mich noch relativ neu. Das fande ich gut.
Und zum guten Schluss: Welches Erlebnis wird dir immer in Erinnerung bleiben?
Es gibt natürlich ein paar Sachen, die mir in Erinnerung geblieben sind. Das sind Problemsituationen, aber auch positive Situationen. Problemsituationen sind bei mir meistens technischer Natur. Ich kann mich zum Beispiel noch an das „Exit“-Festival in Serbien im Sommer 2019 erinnern. Dort habe ich gespielt und bei meinem Computer hat sich aus irgendwelchen Gründen das Stromkabel gelöst und ich habe es nicht bemerkt. Dann hat sich meine Maus auf einmal ganz langsam bewegt und da ist es mir dann aufgefallen, dass ich nur noch ganz wenig Akku hatte. Das war wirklich eine Notsituation, weil gar nichts mehr funktioniert hat. Das Publikum hat es wahrscheinlich gar nicht bemerkt, aber für mich war es stressig. Das war wild, aber an sich war es gleichzeitig auch ein tolles Erlebnis. Es war ja Gott sei Dank am Ende nicht so schlimm. Und eins meiner schönsten Festival-Erlebnisse war auf der „Fusion” bis jetzt. Ich hab am Sonntagmorgen beim Sonnenaufgang auf dieser Turm-Bühne nach Solomun gespielt. Das war wunderbar. Und dass Solomon in der ersten Reihe getanzt hat, war natürlich besonders schön.
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