Interview

MARTERIA

Zuletzt 2015 unter seinem Alter Ego Marsimoto in Erscheinung getreten, landeten Mitte März plötzlich die „Aliens“ in der deutschen Musiklandschaft – und kündigten zusammen mit Beatsteaks-Sänger Teutilla neue Musik aus dem Hause Marteria an. Die Single ist dabei gleichzeitig auch thematischer Vorbote für den Albumtitel „Roswell“ – oder, um es in Martens Worten selbst zu sagen: „Aus Area 51 wird Marteria 51, aus Roswell wird Rostock!“ So drehen sich die Songs auf dem neuen Album des mehrfach ausgezeichneten Musikers ums Anderssein, Politik und Gesellschaft, aber auch um seine Heimat und die eigene Vergangenheit. Unterlegt wird das Ganze in gewohnter Manier von jede Menge Bass, was wohl der erneuten Zusammenarbeit mit dem Produzenten-Trio The Krauts zu verdanken ist. Außerdem ist während der Arbeit an der neuen Platte noch ein ganzer Film entstanden. Wie es dazu kam und was es mit den neuen Songs auf sich hat, verrät der Rapper im Interview:

Zu Beginn gleich mal eine Glaubensfrage – glaubst du an Außerirdische?
Ja, daran nicht zu glauben wäre sehr weird und sehr komisch glaube ich. Natürlich wird es irgendwo Außerirdische geben, ob wir die irgendwann mal sehen werden – keine Ahnung, sag ich dir ehrlich… Aber ja, wahrscheinlich gibt es irgendwo noch Leben, kleine Pantoffeltierchen mit Brillen oder so.

Wie würdest du sie dir vorstellen?
Sehr sehr schwierig, also wahrscheinlich wie in den ganzen verrückten Filmen, wie „Independence Day“, so riesige Krakenwesen. Irgendwie werden sie ja meistens eher böse dargestellt … Ja leider, aber E.T zum Beispiel nicht. Es wär schön, wenn alle Außerirdischen wie er wären.

Und wie würdest du die Menschheit einer fremden Spezies beschreiben?
Sehr gewalttätig und sehr unreflektiert. Selbstzerstörerisch, aber eigentlich ganz lieb. Wir kriegen das noch nicht so richtig hin mit der Welt. Ich würde es ihnen gar nicht so genau beschreiben, sie sehen es, wenn sie dann mal ein Jahr auf der Erde verbringen. Würdest du ihnen also empfehlen hierher zu kommen? Um Gottes Willen … (lacht)

Wen würdest du gerne ins All schießen?
Hmm, Mario Barth zum Beispiel (lacht). Naja, ins All schießen … es hat alles seine, die Menschen sind alle ein großer Teil von dem ganzen Guten und dem ganzen Bösen. Es gibt Leute die man mag, Leute die man nicht mag. Es ist egal, jeder muss für sich wissen wo sein Weg ist und was er in seiner kurzen Lebenszeit erreichen möchte auf der Welt. Das ist jedem selbst überlassen.

Wie lief die Arbeit an „Roswell“ ab?
Wenn man ein Album macht ist es wie ein Flashback. Man verarbeitet die letzten Jahre und das was einen beeinflusst hat. Da zählen auch Reisen dazu, Leute kennenlernen und unterwegs sein. Man reflektiert Sachen aus der Jugend, aus den Jahren davor oder mit Anfang zwanzig. Ein Album muss immer irgendwas besonderes sein und eben anders als der Vorgänger, eine eigene Farbe haben. Es muss eine gute Zeit sein und eine schöne Symbiose ergeben, damit es irgendwie geil sein kann. Man transportiert ja was, eine Message und das ist mir schon sehr wichtig, dass wenn man eine Stimme hat, man dann auch was zu sagen hat.

Wie entscheidest du, ob eine Songidee zu Marteria oder Marsimoto gehört?
Das ist von Anfang an klar. Dafür gibt‘s immer eine Phase, so ein Marsimoto-Album Album entsteht immer innerhalb von ein, zwei Monaten, bei dem man einfach zusammen mit seinen Freunden, wie beim letzten Album, auf Jamaica oder in Spanien rumhängt. Man feiert zusammen, kifft und lacht und macht dann Songs. Das wird dann so ein „Package” dieser Zeit. Beim Marteria-Album geht es mehr um persönliches und autobiografisches Zeug und Geschichten, die einem wichtig sind, man hat eine andere Konzentrations-Ebene. Beide Ebenen oder Charakter sind sehr intensiv, Marteria und Marsimoto, aber das macht ja auch total viel Spaß.

„MAN DENKT BEI NEM POLITISCHEN SONG MUSS IMMER EIN GANZ TRAURIGER BEAT SEIN, MAN KANN ABER AUCH ABFEIERN“

Ist auch spannend, da zwei verschiedene Charaktere zu haben.
Ja super, das erleichtert einem auch das ganze arbeiten, weil man auch mal raus gehen kann. Marsi ist eigentlich sowas wie ein Free-Jazz-Projekt, wo man einfach frei drehen und verrücktes Zeug machen kann. Man muss nicht immer nur eins sein und ist nicht immer nur in der gleichen Ebene gefangen, das ist sonst ein bisschen langweilig.

Auf „Roswell” wirst du politisch sehr konkret – was hat dich zu diesem Statement bewogen?
Das ist immer mit drin bei mir, also ich bin jetzt kein hart politischer Mensch oder so, sondern ich versuch da immer ein paar Songs, ein paar Sätze oder ein paar Sachen zu machen, so wie ich die Dinge sehe. Das was dich interessiert und das was es wert ist ein Lied zu sein. Am besten keine Wiederholung, also nichts was man schon mal gemacht hat. Das ist mir sehr sehr wichtig, dass man immer versucht, etwas neu zu zu machen oder eine neue Perspektive auf irgendwelche Dinge zu werfen, ist ja auch so ein Marteria-Ding. Sowie die Welt ist oder so wie man sich fühlt, so ist dann auch mein Album. Es feiert ja auch ab! Man denkt bei nem politischen Song muss immer ein ganz trauriger Beat sein, man kann aber auch abfeiern. Wie der Song „Links“ auf der Platte, der feiert auch total ab und ist ein Partysong und hat trotzdem eine Message, das eine schließt das andere nicht aus.

In „Das Geld muss weg“ distanzierst du dich klar vom Materialismus – wofür hast du das letzte Mal „sinnlos“ Geld ausgegeben?
Ich geb natürlich sehr oft sinnlos Geld aus. Ich bin ja Angler, da ist eh alles sinnlos wofür man Geld ausgibt und teuer. Klar macht man es irgendwie oft, wenn man ein bisschen Kohle hat, dann gibt man das auch irgendwie aus. Ich versuch schon halbwegs normal damit umzugehen. So Nerdsachen, Männer sind ja eh so kleine Jungs. Kleine Jungs brauchen halt immer so Spielzeug, manche kaufen sich verrückte Autos oder verrücktes Equipment. Das ist glaub ich normal und muss auch mal drin sein für totalen Wahnsinn viel Geld auszugeben. Zum Glück hab ich solche Probleme nicht wie Spielsucht oder Sportwetten. Da hab ich schon mal nen ganz großen Vorteil gegenüber anderen Leuten.

Lange wurde gerätselt was es mit dem Hashtag #antimarteria auf sich hat. Wolltest du die Leute einfach auf die Folter spannen?
Eine Platte ist ja immer so ein kleines Mysterium und da find ich es gut, wenn man die Leute erst mal reinholt und man irgendwie merkt: Ok, da kommt was, es geht wieder los, Marteria ist wieder am Start. Es macht mir immer mehr Spaß, bei Künstlern die ich mag, wenn das nicht gleich alles da ist. Wenn man zuerst ein bisschen reinkommt, wir haben die Leute ja erstmal in eine Welt geholt. Ganz viele Bilder aus Kapstadt wurden gepostet und dann ist es halt ein Film geworden, was ungefähr das zeitaufwändigste und intensivste war, was wir je in unserem Leben so gemacht haben. Mit einem 100-Mann-Team irgendwo in Südafrika einen Film und ein Musikvideo zu drehen, das ist schon ganz schön intensiv gewesen. Wir mussten eine große Einheit und Familie werden, um alles so zu wuppen und richtig hinzubekommen. Es war eine sehr intensive Zeit, da kann man nicht einfach sagen, so, hier ist der Film, bitte, tschüss. Das muss man schon richtig aufbauen und die Feinfühligkeit der Menschen ein bisschen fordern.

Wie kamst du auf die Idee einen Film zu machen?
Das ist so eine Symbiose, dass man gemerkt hat, dass es mehr wert ist als ein Musikvideo. Man macht was Besonderes und die Leute wissen das. Wir strengen uns halt an und reißen uns den Arsch auf um irgendwas Wertvolles hinzukriegen. Ich bin kein Künstler, der die ganze Zeit einen Song rausballert, sondern mache Alben. Ich find die Wertigkeit eines Künstlers, der was zu sagen hat, ist auf Albumlänge zu erfahren. Sich dann in einem Album zu verlieren oder zu vertiefen und sich zu überlegen: Wie meint er das? Geht man so Ansichten mit oder geht man da nicht mit, ist ja total egal. Es war einfach zu intensiv um es in drei Minuten zu erzählen. Wir haben sehr lange am Drehbuch geschrieben, das hat so circa ein halbes Jahr gedauert und wurde dann in die Tat umgesetzt. Es wusste keiner was da entsteht und wir sind mittendrin, es ist ja auch noch nicht fertig. Wir sind von morgens bis abends am arbeiten, damit er rechtzeitig rauskommt.


Wie war es in Südafrika einen Film zu drehen?
Solche Bilder kann man hier einfach nicht erzeugen. Wenn man da in den Townships dreht und plötzlich fünfhundert Kids zu nem deutschen HipHop-Song tanzen … Das kann man nicht stellen oder casten, man muss halt da hingehen wo das Licht so geil ist und die Menschen geil sind, wo man eine ganz andere Intention an Feierei und auch eine andere Scharfsinnigkeit hat. Ich bin nicht gerne eingeengt und gerne unterwegs, hab andere Farben und zeig was nicht so einfach ist. Es macht mir einfach Spaß und ich verbring so gern Zeit in anderen Gegenden und mit anderen Menschen.

Gab es einen Moment beim Dreh an den du dich immer erinnern wirst?
Ja, die Townships. Das ist natürlich schon was Besonderes dort zu drehen, es gibt keine Polizei, keinen Schutz, kein gar nichts. Man muss mit den Gangstern erst mal verhandeln, ob man überhaupt da drehen darf, dann müssen die ganzen Kids auf den Straßen sein. Das ist alles sehr sehr intensiv und dann das Eis zu brechen mit den Menschen, die sich auch so denken: Was machen die jetzt hier, sind die bescheuert? Dann spielt man ein paar Stunden Fußball, isst und verbrüdert sich, quatscht mit den Leuten. Das sind dann so die intensivsten Momente, ich kann da ja so ein bisschen vorweg gehen, hab das ja schon öfter erlebt in Gegenden wie in Uganda oder Angola. Ich bin einfach sehr gerne in Afrika oder in anderen Ländern und feier das einfach ab, mag einfach die Menschen. Es ist schon etwas Besonderes in den Townships. Viele von der Crew sind auch abgesprungen, weil sie dann zu viel Angst hatten. Man muss halt auch ein bisschen Eier haben und die Neugier über die Angst stellen. Das können nicht so viele Leute.


Du arbeitest oft mit anderen Künstlern zusammen, mit wem würdest du gerne mal was machen?
Ich will natürlich mit Björk gerne mal einen Song machen, mal schauen ob ich das schaffe, aber sehr unwahrscheinlich. Ich bin sonst aber auch gerne einfach Fan, das muss man auch machen und akzeptieren. Bei so vielen Künstlern die ich total geil finde und liebe, will ich auch gar nicht, dass ich mit denen ein Lied mache, ich will die einfach so geil finden.

Von wem bist du denn gerade Fan?
Björk, Missy Elliot, The Prodigy, Jay-Z – wunderbare, tolle Künstler, die man irgendwie mag und deren Musik einen sein Leben lang schon begleiten, das ist ja auch wichtig. Oder so ein Typ wie David Bowie, der lebt ja leider nicht mehr. Es gibt einfach Leute, die einen ein Leben lang begleiten. Deren Kunst man einfach zu schätzen weiß oder deren Identität etwas besonderes war. Man darf das nicht als Geschäft sehen sondern als Kunst. Ich bin ja auch kein Dienstleister oder so. Wenn ich morgen aufhören will mit Mucke machen, dann hör ich auf. Es muss Spaß machen und man muss Dinge ausprobieren können, es ist Kunst und darum gehts. Keiner muss mich jetzt unbedingt im Radio spielen.


Roswell ist am 26. Mai erschienen – mehr von Marteria auf marteria.com

Du hast schon verschiedenste Dinge ausprobiert – Fußball, Modeln, jetzt auch Filme machen – was steht als nächstes auf der Liste?
Sehr schwierig, nee das kommt. Ich denk da nicht „was hab ich schon gemacht, was muss ich noch machen”. Dinge kommen im Leben ja auf einen zu, als dass man jetzt danach lechzt oder danach sucht. Auf jeden Fall würde ich noch gern im Ausland leben, jetzt nicht für immer, aber einfach mal eine Zeit. Mich eben mal länger als für einen Monat irgendwo einfügen, in ein Land, das ich sehr mag oder inspirierend finde und da Zeit zu verbringen. Das auf jeden Fall.

Noch etwas, das du loswerden willst?
Grüßt meine Oma aus Bielefeld (lacht). Ja, man sollte sich das Album anhören und sich die Zeit dafür nehmen. Es steckt sehr viel drin, sehr aufwendig und leidenschaftlich. Sie hat es auf jeden Fall verdient gehört zu werden. Und man sollte sich den Film anschauen, um die Symbiosen von diesen beiden Werken verstehen.

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