Stayhome-Diary

Stayhome-Diary:
Empfehlungen von Serkan Eren
(STELP / Stuttgart hilft)

Im Stayhome-Diary geben verschiedene Akteure aus Stuttgart Tipps gegen Langeweile, Support-Inspiration und einen Einblick in ihren aktuellen Alltag. Dieses Mal mit Serkan Eren, Leiter der Hilfsorganisation „STELP“ und Mitverantwortlicher der Facebook-Seite „Stuttgart Hilft“.

 

Was machst du morgens als Erstes?

„Morgens nach dem Aufstehen checke ich zuerst einmal, ob der Rentner von gegenüber noch am Fenster steht und nach dem Rechten schaut. Wenn ich währenddessen noch meine Freundin höre, wie sie meckert, weil ich am Abend zuvor die Zahnpastatube wieder offen rumliegen lassen habe, weiß ich, die Welt dreht sich noch.“

 

Kannst du gerade arbeiten und wenn ja, wie?

„Ich leite eine Hilfsorganisation mit Partnern und Projekten auf der halben Welt. Natürlich ist da auch oder teilweise gerade wegen Corona viel zu tun. Allerdings ist es ein wenig wie bei „Warten auf Godot“. Ich warte auf den wichtigen Termin, in dem es um eine große Spende von einem neuen Partner geht oder auf das Event, das wir so lange vorbereitet haben. Und ich warte auf das Team-Meeting, bei dem man die ganze Crew mal wieder sieht. Aber das wird vorerst nicht passieren. Viel schlimmer für mich persönlich ist aber – und ich weiß, dass ich hier im Vergleich zu vielen anderen mit Luxusproblemen zu tun habe – dieses Nichtstun nach der Arbeit. Selbst wenn ich zwölf Stunden arbeite und den Schlaf abziehe, hab ich immer noch fünf Stunden. Was mache ich da? Zahnpasta-Tuben zudrehen? Was würde ich jetzt für ein Bier mit meinen Jungs in der Marshall-Bar oder einen Gin Tonic im Jigger & Spoon geben?! Mir fehlen soziale Kontakte zu Freunden.“

 

Wovon hast du dir einen Vorrat angelegt?

„Vorräte habe ich mir gar keine angelegt. Die Hamsterkäufe und der Egoismus von einigen Menschen beschäftigen mich seit zwei Wochen sehr. Ich habe gesehen, wie junge Leute älteren Menschen die Ware weggeschnappt haben, einfach weil sie fitter gewesen sind. Ware, die sie nicht einmal dringend brauchen, wohlgemerkt. Einfach Wahnsinn. Schön, dass wir auch hier ein Zeichen setzen konnten. STELP betreibt gemeinsam mit den beiden Stadträten Luigi Pantisano und Hannes Rockenbach die Facebook-Seite „Stuttgart Hilft“. Hier können wir Helfer mit Hilfsbedürftigen in Stuttgart zusammenbringen.“

 

Für welches Projekt hast du jetzt endlich Zeit?

„Für alle und keine. Von Stuttgart aus stehen wir natürlich stets mit all unseren Partnern im Ausland in Kontakt, gleichzeitig können wir aufgrund der geschlossenen Grenzen und der gecancelten Flüge nicht vor Ort sein. Zeit habe ich nun, um neue Projekte in die Wege zu leiten. Wir planen zum Beispiel den Bau von Klassenzimmern und Spielplätzen im Flüchtlingslager Moria auf Lesvos. Hierfür muss ein Team gefunden und die Logistik aufgebaut werden. Ansonsten sortiere ich alte Fotos von Einsätzen, zum Beispiel, damit ich re.flect bei einer evtl. nächsten Interview-Anfrage schneller als diesmal welche zur Verfügung stellen kann.“

 

Deine Empfehlung gegen Langeweile zuhause?

„Zahnpastatube offen lassen. Dann habe ich genug Action.“

 

#supportyourlocals – welches ist dein Herzensprojekt?

„Da ich viele Freunde in der Stuttgarter Gastronomie habe und ich von ihnen weiß, dass sie sich seit Kurzem auf Take-away und Lieferservice konzentrieren, finde ich die Seite supportyourlocaleinzelhandel.de großartig. Da sind die meisten gelistet. Und wer es nicht ist, kann das ganz schnell mit einer Email ändern.“

 

Was würdest du dir für Stuttgart wünschen?

„Dass wir auch in dieser super verrückten Zeit zusammenstehen. Ich möchte nicht in einer Stadt leben, in der der 25-Jährige den 70-Jährigen weg schubst, um an Toilettenpapier zu kommen. Ich möchte, dass er für ihn einkauft und ihn in dieser schwierigen Zeit unterstützt. Die Generation des 70-Jährigen ist verantwortlich dafür, dass der 25-Jährige hier in Frieden leben kann.“

 

Dein Statement

„Was mich in Bezug mit Corona wundert ist, dass radikale Entscheidungen plötzlich doch relativ leicht umgesetzt werden können. Wieso bekommt es dann die internationale Gemeinschaft nicht hin, verhungernde Kinder im Jemen zu versorgen, wieso muss sich da eine kleine Hilfsorganisation wie wir es sind, darum kümmern? Wieso sitzen 20.000 Menschen unter erbärmlichen Bedingungen auf einer griechischen Insel fest? Was bedeutet der Virus für die Flüchtlingslager, was für den Township in Südafrika und was für die Favelas in Brasilien?

Unabhängig davon gibt es im Gegensatz zu Convid-19 andere schlimme Dinge, vor denen man sich nicht einfach zuhause verstecken kann. Zum Beispiel Bomben, die vom Himmel regnen. Vielleicht bekommen ja jetzt einige mal ansatzweise ein Gefühl dafür, was es heißt, Angst zu haben und sich in einem Ausnahmezustand zu befinden.“

 

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