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Ahzumjot im Interview

Ein Album, das so indie-as-fuck ist wie es nur geht – das war „Monty“, das Debütalbum von Ahzumjot, das er selbst produziert, selbst daheim gebrannt und beklebt und sogar zur Post gebracht hat – und das über 4.000 Käufer fand, ihn über Nacht bekannt machte und auf Tour mit Cro und Rockstah schickte. Doch statt nach diesen ersten Erfolgen schnell nachzulegen, zog er sich zurück ins Studio, um seiner Vision eines Albums nachzugehen. Herausgekommen ist mit „Nix mehr egal“ eine Platte, die neue Standards in Sachen Qualität und Soundbild setzen dürfte, denn sie ist so bombastisch gut ausproduziert wie ein Kanye-Album. Inzwischen ist Alan inhaltlich und musikalisch auch sicherlich näher an einem Tua als an einem Cro, in dem ganzen Rummel aber ein unglaublich sympathischer Typ geblieben. Das auf eine halbe Stunde angesetzte Interview ging fast eine Stunde, in der wir uns neben seiner Musik auch über Michael-Bay-Filme (Suchbegriff „Bayhem“ bei Youtbe!), Sinnsuche, Carpe-Diem-Tattoos und Musik im Allgemeinen unterhalten haben. Fakt ist: Dieser Typ hat unserer Meinung nach jeden Erfolg verdient – sowohl wegen seines Schaffens, als auch menschlich.

Hallo Alan, warum ist jetzt „nix mehr egal“?
Die Sache ist die, dass unsere Generation davon betroffen ist, dass fast alles egal scheint. Uns stehen alle Türen offen, wir können alles machen, aber die meisten nutzen das nicht. Man hört ja auch sehr viel in der aktuellen Popmusik, dass niemand mehr eine richtige Haltung hat und zu etwas steht. Und in dieser Generation und Zeit versucht jemand wie ich sich zurechtzufinden, der eine Meinung hat, aber teilweise nicht richtig weiß, wer der Gegner ist. Das ist das Dilemma, in dem ich mich befinde.

Die sogenannte Generation Y?
Genau, das passt sehr gut dazu, obwohl ich ja tatsächlich immer ein bisschen ein Feind von Generationsbetitelungen bin.

Was willst du deinen Hörern auf den Weg geben?
Erstmal geht es ja auch darum, mich selber ein wenig vorzustellen, mich als Mensch irgendwo in dieser Generation zu platzieren und dass sich andere mit meinen Geschichten identifizieren können und vielleicht sogar ein Stück weit dazu motiviert werden zu tun, wozu sie sich berufen fühlen. Ich habe mich dazu berufen gefühlt Musik zu machen und da meine komplette Energie reinzustecken, was natürlich auch bedeutet, dass man einige Hindernisse und Hürden nehmen und seinen eigenen Schweinehund austricksen muss. Selbst wenn einem Steine in den Weg gelegt werden, sollte man das tun, was einem am Herzen liegt.

Ich habe gelesen, dass du zur Zeit von „Monty“ jede Menge Nebenjobs hattest. Wie war das bei „Nix mehr egal“?
Bei „Nix mehr egal“ konnte ich mich tatsächlich nur auf das Album konzentrieren. Jetzt gerade bin ich wieder in so einer Phase, wo ich dafür quasi büßen und nebenbei arbeiten muss, was ich aber gar nicht so schlimm finde. Mein Ziel ist, dass wenn ich in der Albumarbeit drinstecke, ich mich komplett darauf fokussieren kann. Ich habe bei „Monty“ erlebt wie schwierig es ist, ein Doppelleben zu führen: Vom Studio, das bei einem Kumpel zu Hause war, direkt nach Hause, dort weiter schreiben bis tief in die Nacht und dann zwei Stunden Schlaf und zum nächsten Job rennen, um sich irgendwie über Wasser zu halten und seine Miete zahlen zu können.

Was war der ätzendste Nebenjob, den du gemacht hast?
(lacht) Hmm, ich würde sagen beim Rewe Pfandflaschen sortieren …

Wie hat sich der Schaffensprozess im Vergleich zum letzten Album verändert?
„Monty“ ist ja so entstanden, dass ich fast alles selber produziert habe, mit ein wenig Hilfe von einem sehr gutem Freund sowie meinem DJ und Co-Produzenten Levon Supreme. Jetzt bei dem Album haben wir uns einen richtigen Produzenten an Land gezogen, der aber natürlich genau so an die Geschichte glauben musste. Ich bin ja immer noch kein Projekt, das von alleine läuft. Bei mir ist immer noch sehr viel zu tun und es gab schon Leute, die interessiert waren, aber ich wollte eben, dass jemand sich richtig in dieses Projekt reinfinden kann und da sind wir auf Nikolai Potthoff von Tomte gestoßen, der vorher z. B. für Leslie Clio produziert hat. Das war Liebe auf den ersten Blick und wir sind gleich auf einer Wellenlänge gewesen. Wir waren anderthalb Jahre zu dritt im Studio und haben an diesem Album geschraubt.

Auf welchen Song bist du besonders stolz?
Auf „4 Minuten“, der Song, der von meiner Familie und vor allem von meinen Eltern handelt. Ich glaube dort habe ich auch einiges verarbeiten können und die Geschichte dahinter ist für mich natürlich sehr extrem. Ich habe meinem Vater vor ca. einem Jahr getroffen – wir hatten davor länger keinen Kontakt mehr – und dann hat er mir erzählt, dass meine Eltern zusammen aus Bukarest nach Deutschland gekommen und nach Schöneberg gezogen sind – wo ich ja mittlerweile auch wohne – und sie sind damals praktisch genau gegenüber von meiner Haustür eingezogen. Das war für mich ein absoluter Wow-Moment und ich war extrem gerührt aufgrund dieser Parallele, die ich auch zu meinem Vater sehe. Er hat mir erzählt, dass er nach Deutschland gekommen ist, weil er dachte er könnte von hier aus die Welt erobern. Dort gegenüber ist jetzt mittlerweile ein Hotel, in dem ich auch übernachtet habe, um den Song zu schreiben – übrigens stehe ich gerade davor, während wir miteinander telefonieren …

Das Thema Sinnsuche spielt bei dir immer wieder ein Rolle …
Das ist etwas, was mich schon seit meiner Kindheit – wenn man mit 13, 14 noch als Kind durchgeht – beschäftigt. Ich hab mir schon immer die Frage gestellt „warum bin ich hier und was hab ich hier zu suchen“ – und das war bei mir auch eine recht schwierige Phase, weil ich sehr damit gekämpft habe. Ist es wirklich unsere Erfüllung und Bestimmung, dass wir auf die Welt kommen und zur Schule gehen, wo uns alles vorgeschrieben wird, dann arbeiten gehen, wo uns alles vorgeschrieben wird und irgendwann arbeiten wir, bis wir 60, 65, 70 Jahre alt sind, in Rente gehen und dann blicken wir zurück und sagen „ich hab immer genau das getan, was alle von mir wollten“. Davon handelt ja auch der Song „Wann bin ich dran“, von diesem wann-kann-ich-denn-entscheiden. Am Schluss des Songs sage ich „jetzt bin ich dran“ und da beginnt quasi die Reise von „Nix mehr egal“ und Ahzumjot.

Was würdest du machen, wenn du nicht Musik machen würdest?
Hmm, es gibt eigentlich keinen Plan B – um genau zu sein gibt es nicht mal einen Plan A (lacht). Ich bin einfach da und ziehe mein Ding durch und nehme alles mögliche in Kauf, geplant ist nichts so richtig. Ich finde der Mensch lebt auch ein wenig von seiner Naivität. Dieses Peter-Pan-Syndrom ist etwas, das total falsch verwendet wird – das bedeutet nicht, dass ich mit Mitte 40 immer noch nur auf Partys hänge und total yolo drauf bin. Für mich bedeutet das eigentlich eher, dass man jung bleibt, indem man immer naiv und neugierig und dadurch ein bisschen „Kind“ bleibt. Neugier führt uns erst dazu, dass wir neue Dinge erschließen könne. Als Erwachsener hat man Angst, als Kind macht man es einfach. Man wagt vieles einfach nicht mehr, weil man denkt, man könnte damit scheitern. Aber wenn man scheitert – einfach ab zum nächsten. Ohne scheitern wird man nie was lernen.

Wie sind deine Erwartungen an das Album?
Als ich „Monty“ gemacht habe, hatte ich meine 400 FB-Likes und hab gedacht „hey, wenn 20 Leute das Album kaufen, hab ich die Kosten von den ersten 100 schon wieder drin“. Und dann waren es doch weit mehr und ich hab mich sehr darüber gefreut. Mittlerweile ist der Name natürlich schon größer geworden, man gibt Interviews und kommt in Zeitschriften vor und natürlich merkt man, dass etwas passiert ist und die Erwartungshaltung wird größer. Als ich mit meiner Mutter zusammen gelebt habe und wir überhaupt kein Geld hatten, war ich froh über diese kleine kaputte Radio, über das ich Musik hören konnte. Irgendwann hab ich meinen eigenen Computer gehabt, der mir dann aber zu langsam war und jetzt hab ich mittlerweile ein Macbook – die Erwartungshaltung steigt also immer irgendwo. Ich hoffe, dass viele Leute dem Album eine Chance geben und sich das anhören, weil man so viel Arbeit und Herz reingesteckt hat. Und im besten Fall supportet, zur Tour kommt und Spaß hat. Die Erwartungshaltung ist aber definitiv nicht „ich will jetzt ein Star werden“ oder so was. Das sollte als Musiker auch niemals dein Anspruch sein. Seien wir mal realistisch, als Musiker wirst du ohnehin zu 99,9% nicht reich und dann hätte ich wohl auch lieber studiert und was Amtliches gemacht, wenn viel Geld mein Ziel wäre.

Wie beurteilst du den aktuellen Stand im deutschen HipHop?
Mir gefällt, dass wir mittlerweile eine recht große Bandbreite an Künstlern haben. Man hat Leute wie Cro, der genau das Gegenteil von meiner Musik macht, denn bei ihm ist halt irgendwie immer alles egal, was ich aber gar nicht schlecht machen will, da es auch angenehm zum Abschalten ist. Und dann hat man diese ganzen Straßenrapper wie Haftbefehl, Veysel, Olexesh oder SSIO, die ich extrem gut finde und die glaubhaft von der Straße erzählen. Dann gibt es auch noch Charaktere wie einen Kollegah, der sehr viel Entertainment mit einfließen lässt, und Leute wie Casper, die sehr persönliche Musik und vielleicht so ein bisschen „Generationsmusik“ machen. Was ich eher negativ finde ist, dass durch diesen ganzen Deutschrap-Hype wahnsinnig viel da ist und es so viele Rapper gibt, die ich ehrlich gesagt auch scheiße oder langweilig oder belanglos finde. Wobei, das werden auch genug Leute über mich sagen(lacht). Du schaust ins Internet und es gibt schon wieder so viele Neue, sodass du kaum mehr einen Überblick haben kannst und alles wird sofort als „das nächste große Ding“ betitelt. Die Leute wissen glaube ich gar nicht, was für ein Druck durch so etwas aufgebaut wird. Ich war in meinem Fall gerade 22 und wusste gar nicht damit umzugehen, dass plötzlich so viele Leute etwas von mir wissen wollten und ich mich gefragt habe „bin ich wirklich das nächste große Ding?“. Ich habe mir dann echt viele Hoffnungen aufgebaut, dass ich jetzt der nächste große Star werde und als es dann in den nächsten zwei Monaten eben nicht passiert ist, musste ich erstmal realisieren, warum es so ist.

Wenn dein Album der Soundtrack zu einem Film wäre, dann wäre das …
Ich könnte natürlich einfach sagen von meinem Lieblingsfilm, aber da das „Matrix“ ist, würde das nicht passen. Spontan hätte ich jetzt tatsächlich so etwas wie „Forrest Gump“ im Sinn, weil er viel erlebt auf seiner Reise und es trotz oder gerade wegen seiner Naivität schafft, Geschichte zu schreiben.

Was machst du zum Entspannen?
Ich bin ein relativ unentspannter Charakter, weil ich immer irgendwas machen muss. Zur Entspannung sitz´ ich zu Hause und mach´ Beats oder schreib irgendwelche Spaßtexte, die vielleicht irgendwann mal für ein Mixtape verwendet werden. Und ich spiele wahnsinnig gern Monopoly, auch wenn es natürlich Kapitalismus pur ist und ich davon eigentlich kein großer Fan bin. Meine Freundin, mit der ich das immer gespielt habe, hasst es aber mittlerweile, weil ich sie so damit gequält habe. Und ich höre natürlich viel Musik, z. B. das neue La-Roux-Album, das ich mir erst geholt habe – die feier ich total.

Was macht Ahzumjot in 10 Jahren?
Da bin ich 35. Ich will tatsächlich nicht ewig der Protagonist der Musik sein, die ich mache. Mit Ende 30 oder 40 will ich nicht mehr auf der Bühne rumhopsen. Dann würde ich mich wohl auf meine zweite große Leidenschaft, das Produzieren, fokussieren und mir ein schönes Studio besorgen. In 10 Jahren kann ich dann ja aber getrost noch auf die Bühne und weiter Platten releasen und hoffentlich innerhalb dieser zehn Jahre meinen Meilenstein, meinen Klassiker schaffen à la „Stadtaffe“, „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“ oder „Illmatic“.

Famous last words?
Dazu muss ich erstmal famous sein. Sobald ich famous bin kannst du mich dann noch mal versuchen zu erreichen und dann kommt eine tolle Weisheit, die sich direkt all tätowieren lassen können! (lacht)

„Nix Mehr Egal“ erscheint am 22.08.2014

Mehr von Ahzumjot auf ahzumjot.defb.com/ahzumjot

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