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Rap, Oper und ein Orca: „Der rote Wal“ an der Staatsoper Stuttgart

Ein Mädchen, ein Orca, eine Oper über die RAF – was wie der Anfang eines Traums klingt, ist tatsächlich der Stoff des neuen Musiktheaters „Der rote Wal“, das seit Mitte Juni an der Staatsoper Stuttgart läuft. Die Inszenierung richtet sich an ein junges Publikum, aber der Stoff ist alles andere als seicht.
Im Zentrum steht Gladis, ein Orca-Weibchen, das sich gegen die Zerstörung ihres Lebensraums auflehnt – gegen Luxusjachten, gegen Kreuzfahrtschiffe, gegen das große Schweigen. Auf der Bühne begegnet Gladis dem Publikum als Isi, eine Schülerin, die mit ihrer Klasse eine Oper über die RAF besucht und sich plötzlich mitten in einem Strudel aus Fragen, Erinnerungen und Eskalation wiederfindet. Widerstand steht im Raum – als Idee, als Drohung, als notwendige oder gefährliche Reaktion. Was darf Protest? Und wann kippt Moral in Fanatismus?
Das Libretto stammt von Markus Winter alias Maeckes (ja, der von den Orsons), der nicht nur textlich mitmischt, sondern auch als Figur „Lone“ auftritt – ein sinistrer Tech-Milliardär, irgendwo zwischen Elon Musk, Faust und Popstar. Musikalisch mischen Vivan und Ketan Bhatti klassische Oper, Rap, Rock und Musical zu einem Sound, der sich nicht einordnen lässt – und das auch nicht will.

Erzählt wird nicht linear, sondern assoziativ. Die Geschichte springt, überlagert sich, widerspricht sich selbst. Wer einen roten Faden sucht, findet stattdessen lose Enden – aber genau das macht den Reiz aus. „Der rote Wal“ ist kein Wohlfühlabend. Er will etwas: zum Nachdenken bringen, reiben, herausfordern.
Thematisch ist das Stück nah dran an aktuellen Bewegungen wie der „Letzten Generation“ oder den Stuttgart-21-Protesten. Gleichzeitig räumt es mit verklärten Blicken auf den RAF-Mythos auf, ohne plump zu moralisieren. Intendant Victor Schoner bringt es auf den Punkt: „Terrorismus kann kein Mittel der Gerechtigkeit sein.“ Das steht so im Raum, wird aber nicht zum endgültigen Urteil.
Bis Januar 2026 bleibt Zeit, sich mit der Inszenierung auseinanderzusetzen. Wer glaubt, Oper sei verstaubt, könnte hier überrascht werden. Und wer glaubt, Theater müsse immer eindeutig sein, vielleicht auch.

Info: Der rote Wal

18.06.–22.07.25 & 09.11.25–19.01.26
Staatsoper Stuttgart
staatsoper-stuttgart.de

Fotos © Matthias Baus

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