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DJ Koze

Erst ein Jahr ist vergangen, seit Stefan Kozalla aka DJ Koze von zahlreichen Musikmagazinen für sein Album „Amygdala“ hochgelobt und mit begehrten Auszeichnungen wie dem ECHO Kritikerpreis geehrt wurde. Aber der Wahl-Hamburger und Teilzeit-Spanier lässt nicht lange auf sich warten und legt direkt mit einer neuen Remix-Platte nach. Auf „Reincarnations pt. 2“ findet man Koze-Versionen der Songs von Künstlern wie Moderat, Herbert oder Caribou und bereits bei den ersten Klängen wird klar, dass das keinesfalls mal eben auf die Schnelle produziert wurde. Wir haben mit ihm über die Erleuchtung, seine Tricks und neue Erfindungen gesprochen – und am Ende geht der Meister selbst noch seinem eigenen Handwerk an den Kragen …

Dein Label spricht bei Reincarnations pt. 2 von einer „Reise“, gibt es da ein bestimmtes Ziel?

Die Erleuchtung ist wahrscheinlich die Reise. Aber selbst wenn man unerleuchtet bleibt, lohnt sich der Pfad. Ich will den Leuten nur eine Art Pool in die Hand geben, den sie dann mit eigenem Inhalt füllen.

Und wo reist du selbst am liebsten hin?

Ich bin ja in der glücklichen Lage mit meiner Musik die ganze Welt bereisen zu können. Dabei stoße ich dann meistens auch gleich auf nette Leute, die mir eine Art „Inner-Tourismus“ bieten können und schon abgecheckt haben, was mir so gefallen könnte. So, wie man das andersrum eben auch macht, wenn man Gäste zu Besuch hat. Das ist natürlich ein totales Privileg, was ich da erfahren darf und das inspiriert mich immer wieder.

Du hast vor Kurzem auch das Balafon-Spielen gelernt?

Also gelernt hab ich das nicht. Das Balafon ist einfach ein sehr dankbares Instrument, weil es in sich in einer Scale gestimmt ist, dass sich jeder Ton immer gut anhört, ähnlich wie bei einer kleinen Marimba. Das sieht dann immer aus, als ob man das Instrument beherrscht. Das klingt dann so afrikanisch und jeder denkt sich „Wow!“, aber wahrscheinlich könnte das jeder so. Wenn man bisschen Taktgefühl hat und stoisch etwas runterspielt, klingt das gleich nach einem virtuosen Balafon-Spieler. Das sind die Tricks mit denen ich arbeite (lacht): Ein Instrument, das in sich stimmt, das aber kein anderer hat und gleich wird einem Virtuosität angedichtet.

Machst du dich dann immer mal wieder auf die Suche nach neuen Instrumenten oder passiert das eher zufällig?

Manchmal stolper ich einfach so über etwas. Das ist mir auch mal mit einer Hang Drum passiert, das ist so ein ganz spezielles Blechinstrument, das man nur ganz schwer bekommt. Man muss auch versichern, dass man es wirklich ernst meint und es wirklich lernen will. Bei dem Balafon war das auch so, da hab ich glaub ich ein halbes Jahr drauf gewartet. Da steiger ich mich manchmal so rein, dass ich das Instrument unbedingt besitzen will und wenn es dann da ist, pack ich es kaum aus. Vielleicht eine Art Jagdreiz.

Du wirst zwar für deine Remixes gefeiert, produzierst aber auch eigene Tracks. Was fällt dir leichter?

Leichter fallen mir auf jeden Fall Remixes. Meistens überlege ich mir schon vorher, ob ich einen Zugang zu den Songs finde und ob es Elemente gibt, die ich mir in einem andern Gewand vorstellen könnte. Meistens sind das die Stimme oder signifikante Melodien, die ich toll finde und mir dann sofort etwas einfällt. Das kann ich meistens schon relativ schnell sagen, wenn ich das Material gehört habe. Dann hat man quasi eine Art Aufgabe, die man abarbeitet. Bei einem eigenen Song fängt man ja mit einem leeren Papier an und muss aus dem Nichts heraus etwas kreieren, was dann auch noch unmittelbar mit dem eigenen Namen verknüpft ist. Im besten Fall soll das dann ein Stück für die Ewigkeit werden. Ein Remix ist eher eine Art Auftragsarbeit, in die man auch viel Zeit und Liebe steckt, aber man hat schon etwas Vorgegebenes auf das man aufbauen kann. Das ist einfacher, weil man sich in die Welt hineinpositionieren kann, die vom Originalkünstler bereits vorgegeben ist.

Bekommst du bei den Remixen dann hauptsächlich Aufträge von anderen Künstlern oder suchst du dir die Songs gern selber aus?

Das sind Anfragen und jede 30. nehme ich dann mal an. Ich bekomm jeden Tag Links von irgendwelchen öden Techno-Stücken, wo ich dann die Kuh vom Eis holen soll. Es muss schon ein besonderes Stück sein oder ich muss den Künstler besonders schätzen und ihm auf Augenhöhe begegnen, wie das auch auf „Reincarnations pt. 2“ der Fall ist.

Gibt es Songs, bei denen du sagst, die sind so gut wie sie sind, da will ich gar keinen Remix draus machen?

Ja oft! Ich sag dann von Anfang an, dass ich den Song so perfekt finde und es keines Remixes bedarf. Ich finde, wenn sich ein Künstler eine eigene Welt schafft, wie Apparat oder Caribou, und sich eine unverkennbare eigene Handschrift kreiert, dann verstehe ich nicht warum das nicht schon ausreicht. Wenn man dann immernoch Versionen für den Club oder das Stadion oder sämtliche andere Bereiche schafft, hat man einen riesigen Streuverlust. Lustig, dass ich jetzt mein eigenes Metier ankreide, aber ich finde selten, dass ein Remix dazu beiträgt, die Welt noch größer zu machen. Der Song würde dann auch in etwas ganz anderes transformiert und Apparat gehört einfach nicht in den Club, auch nicht ins Berghain.

Vielleicht ist es auch ein Kompliment, wenn jemand gern deine Interpretation des Songs hören würde …

Das ist ein bisschen die Ideenlosigkeit von Plattenfirmen. Ich war ja auch eine Zeit lang bei einem Major. Das erste was denen einfiel war, dass wir Big Names als Remixe brauchen. „Kann man nicht Skrillex nehmen oder Mr. Oizo?“ Da soll man dann, als der Stern, über das Produkt, das es alleine nicht bringt, noch drüberstrahlen. Das ist total bescheuert. Manchmal gibt es aber musikalisch auch total interessante Kombinationen, aber das ist dann meistens eher aus dem Indie-Bereich und auf Augenhöhe. Ich weiß auch nicht, was die manchmal von mir haben wollen.

DJ Koze

Wünschst du dir da manchmal ein Publikum, das nicht nur zum Feiern in den Club kommt, sondern dem es auch um die Kunst hinter den Tracks geht?

Nee, eigentlich finde ich das ganz gut, wenn das „entkontextualisiert“ wird und man im Club so wenig wie möglich denkt. Eigentlich ist das auch die letzte Domäne, wo wir noch stumpfe Tiere sein können. Da treffen viele verschiedene Welten aufeinander, weil die meisten ja tagsüber in Büros arbeiten oder Grafikdesigner sind oder rummalen und auch andere Musik hören. Clubmusik ist ein bisschen anonym und von den Protagonisten losgelöst. Es geht gar nicht um den Typ dahinter, sondern nur um den Rhythmus der Nacht. Der Club vereint auch viele Szenen, egal ob Indievogel, Shoegazer, HipHopper oder was auch immer. Deshalb gehen die Leute abends in den Club, um ihren Kopf auszuschalten.

Willst du in den nächsten Jahren weiterhin als DJ unterwegs sein?

Also gerade könnte ich mir auch gut vorstellen hier in Spanien zu bleiben. Mal sehen, Sven Väth feiert ja jetzt seinen 50. und geht somit mit gutem Beispiel voran. Laurent Garnier hat mal gesagt, dass er seine engsten Freunde gebeten hat, ihm zu sagen, wenn es endgültig lächerlich wird. Das muss ich auch mal noch in meinem Freundeskreis rumschicken. Aber die letzten zwei Jahre haben mir total Spaß gemacht, wahrscheinlich steh ich mit 65 noch hinter den Plattentellern.

Gibt es einen Ort/Club, an dem du unbedingt mal auflegen willst?

Die Clubs sind eigentlich das Unspannendste an den Städten, da schaut es überall so aus, wie es auch in Frankfurt aussieht. Die Städte, die Menschen und die Kultur sind das Spannende und das kann man ja auch erleben ohne dort aufzulegen.

Du betätigst dich ja auch als Maler, hast z. B. das Cover des Ada-Albums beigesteuert. Ist das eine Kunstform, in der wir dich in Zukunft öfters erleben werden?

Vielleicht könnte ich damit mal wieder anfangen, meine ganzen Farben sind schon ganz eingetrocknet und ich weiß gar nicht mehr genau wie das geht. Vor drei Jahren war ich da voll drin, mit Verlängerer und allem was dazu gehört, mittlerweile ist das nur noch ein Haufen Dreck, der zusammengeklebt ist. Aber ich steh im Moment vor dem Original, denn das hängt hier in Spanien und ich sehe, ich bin ein großer Maler.

Wenn du einen Film drehen würdest, um was würde es dabei gehen?

Das wäre ein amerikanisch angelehnter Teenage-Highschool-Film mit gackernden, hübschen Blondinen und Bodybuilder-Typen, die für ein Wochenende zu einer einsamen Hütte in den Wald fahren. Dort gehen die beiden Pärchen dann auf ihre Zimmer. In dem einen hängt ein total blutrünstiges Bild von einer Schlachtung von einem Lamm oder so, dass sie dann abhängen. Dahinter ist eine Spiegelscheibe, durch die sie in das Zimmer der anderen schauen können. Die in dem anderen Raum können das aber nicht sehen und dann kommen von hinten so ganz kleine Knetgummimännchen … Mehr will ich noch nicht verraten, das ist das Skript an dem ich grade arbeite.

Das hat ein bisschen was von „Cabin In The Woods“ …

Ja, den hab ich gestern Abend gesehen, deshalb kam ich da drauf. Lustig, dass ihr das sofort entlarvt. Aber ich hab abgeschaltet, weil mir so schlecht wurde als sie dann anfingen, den Kopf abzuhauen. Aber mit der Spiegelscheibe war ich geflasht! Das kommt ohne großen Horror-Effekt aus, denn eigentlich bin ich nicht so der Horror-Fan.

Wenn du dir einen Song aussuchen müsstest, den du das nächste Jahr über in Dauerschleife hören musst, welcher wäre das?

Bei iTunes gibt es „Meditation: Stille“ zu kaufen. Das kostet dann 99 Cent, dauert 2:37 Minuten und ist nichts drauf. Das ist der Next-Level-Shit, nicht mehr stapeln und türmen, sondern wegnehmen und dafür Geld kassieren. Es gibt ja auch das Programm „MacFree“ für zehn Dollar im Monat. Da kann man dem Computer sagen, er soll sich für drei Stunden offline schalten und dann geht nichts mehr, kein Social Network, kein garnichts. Dann muss man den Computer auch wieder komplett runterfahren und neu starten, um das zu deaktivieren, aber dafür hat man dann drei Stunden Ruhe.

Gibt es eine Erfindung von der du sagst, die kommt irgendwann noch und damit werde ich dann reich?

Ja und zwar Solarpanele – die sind nämlich in Städten oft verboten – im Camouflage-Gewand, in Form von einem Kinder-Swimmingpool oder einem Badehandtuch, so dass man sie selbst mit Google Streetview nicht erkennen kann. Dann könnte hier auf jedem Dach ein Solarpanel stehen und die Stadtgemeinde würde trotzdem keinen Verdacht schöpfen. Hab ich mir übrigens auch gestern beim „Cabin In The Woods“-Schauen überlegt.

Mit wem würdest du gerne in Zukunft mal zusammen arbeiten?

Da bin ich eher Einzelgänger und wenn, dann ergibt sich das irgendwie und ich denk mir dann im Nachhinein, dass ich mit dem ja bestimmt schon immer mal was machen wollte. (Pause) Oh, jetzt fällt mir doch noch was ein! Damon Albarn, der Sänger von Blur, das ist ein ganz beeindruckender Musiker. Mit dem würde ich gern mal was aufnehmen oder ein Stück zusammen machen.

Reincarnations pt. 2


Reincarnations pt.2 erscheint am 24.10.2014

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1 Kommentar

  • Reply
    OWAKSINo
    8. Februar 2022 at 0:08

    Es ist ein sehr tolles Interview, ich bin bestimmt eh nicht objektiv, aber der Mensch steht mit beiden Beinen auf den Füßen- und ich hoffe das er noch bis 65 hinter den Tellern steht!

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