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Hudson Mohawke: „Weniger ist manchmal eben mehr.“

Ross Birchard alias Hudson Mohawke ist spätestens seit seinen beiden fantastischen 2009er Veröffentlichungen, dem Album „Butter“ sowie der „Polyfolk Dance EP“ auf dem Traditionslabel Warp eine gesetzte Nummer für Freunde anspruchsvoller Beats. Den richtigen Durchbruch in den USA hatte Mohawke jedoch 2012 mit „TNGHT“, seiner Collabo mit dem Producer Lunice.

Dann ging es steil bergauf: Producer-Vertrag bei Kanye Wests Label GOOD Music und Mitarbeit an den Releases von Yeezy selbst sowie Tracks und Remixe für Drake, Pusha-T, John Legend, Azealia Banks oder Young Thug. Nun steht mit „Lantern“ sein zweites eigenes Album an, auf dem er konsequent seinen Stil weiter entwickelt hat: weg von dem Frickelexperimenten der Vorgänger hin zu einem breiten, epischen (man möchte fast sagen: stadiontauglichen) Sound. Bester Beweis dafür sind die Single „Very First Breath“ sowie das unglaublich drückende „Ryderz“, dem man die langjährige Zusammenarbeit mit Kanye in jedem Beat anhört (und den man am liebsten darauf hören würde). Aber lassen wir Mohawke am besten selbst erzählen …

Was unterscheidet dieses Album vom Vorgänger?

Das letzte Album wollte irgendwie alles auf einmal. Heute beziehen sich viele Leute auf diese Platte, aber als sie damals erschien, kam sie eigentlich nicht besonders gut an. Das Album klingt sehr chaotisch, es passiert unglaublich viel und jedes Stück hat eine Million verschiedene Ebenen. Die neue Platte ist geprägt von den Erfahrungen, die ich während der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern und durch die Beobachtung ihrer Herangehensweise gesammelt habe. Rick Rubin hat in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle gespielt. Ich habe gelernt, dass man auch Elemente aus Songs wieder entfernen kann, anstatt immer noch mehr hinzuzufügen. Weniger ist manchmal eben mehr. Es hat einige Jahre gedauert, bis ich diese Sichtweise verinnerlichen konnte.

Rick Rubin nimmt auch immer sehr viel aus seinen Produktionen heraus. Was erzeugt diese Reduktion in der Musik?

Man muss sich auf den Kern eines Stücks konzentrieren und herausfinden, was einen Song auszeichnet. Wenn man mit einem Track beginnt, dann ist es erst mal ganz natürlich, eine Vielzahl von Elementen hinzuzufügen und alles Mögliche auszuprobieren. Und ehe man sich versieht, hat man 20 oder 30 Soundschichten. Wenn man sich dann letztlich entscheiden muss, was davon erhalten bleiben soll, muss man einfach wissen, welches die Schlüsselelemente sind. Das ist auch so ein Rick-Rubin-Ding – du musst deine Ohren benutzen und alles Überflüssige herausnehmen. So gelangt man zu einem puren und reinen Endergebnis.

Du hast gesagt, das Album davor war in sämtlichen Genres beheimatet. Das ist dieses irgendwie auch, aber die Songs sind mehr miteinander verbunden, oder?

Diese Idee steckt auch schon hinter dem Titel der Platte. Das Album beginnt mit dem Sonnenaufgang, dann folgt der Morgen. „Warriors“ und „Very First Breath“ sind Songs, die den Tag widerspiegeln. Und die Stücke mit Miguel und Jhené sind eher Stücke für die Abenddämmerung. Am Ende der Platte stehen dann die Songs für die Clubnacht. Das Konzept war also, 24 Stunden abzubilden. Ein Tag in Form eines Albums.

In dem Stück „Kettles“ brichst du ja auch stark. Soll das eine Pause darstellen?

Ja, schon irgendwie. Dieses Stück leitet die Phase der Abenddämmerung ein. Und es klingt sehr triumphierend, so dass es an dieser Stelle der Platte sehr gut passt. Es sollte aber vielleicht nicht unbedingt wie ein Bruch wirken, sondern eher das Vorangegangene wegwischen und etwas Neues ankündigen. Viele Leute haben nicht damit gerechnet, so ein Stück auf meinem Album zu finden. Ich wollte diesen Song auf der Platte haben, um endlich von diesem Image des Trap-Produzenten wegzukommen. Ich dachte mir: „Leckt mich! Ich packe jetzt einfach dieses orchestrale Stück dazwischen.“

Du trittst dieses Mal ja nicht als Produzent im Hintergrund auf, sondern als eigenständiger Künstler. Wie fühlt sich das an?

Ich weiß nicht, ob der Begriff Künstler in diesem Zusammenhang wirklich passt. In gewisser Weise kehre ich mit diesem Ansatz zu der Zeit zurück, als „Butter“ entstand. Die Leute, die mich aus dieser Zeit bereits kennen, werden wissen, was ich meine. Aber ich spreche auch diejenigen an, die nur meine Sachen mit „TNGHT“ kennen und nichts über den Rest meines Backkatalogs wissen. Bei dieser Platte verschmelzen alle diese Einflüsse miteinander. Aber ich wollte auch die Rolle des Bedroom-Producers hinter mir lassen. Bei „Butter“ hatte ich keinen Einfluss auf die Vocals. Ich habe einfach nur Instrumentals rausgeschickt und die Leute machen lassen, was sie wollten. Dieser Ansatz ist nicht falsch, aber ich wollte dieses Mal anders an die Sache herangehen und eher als traditioneller Produzent agieren – nicht wie ein Typ am Computer. Ich wollte vor allem Produzent sein und kein Beatmaker oder Künstler oder was auch immer. Als Produzent bin ich nicht nur mit meinem eigenen Kram beschäftigt, sondern kann mich auch um viele andere Projekte kümmern, mich dort einbringen und den Sachen meinen Stempel aufdrücken.

Bei vielen anderen Künstlern arbeitest du im Hintergrund. Gefällt dir diese Rolle?

Ja, dieser Aspekt gefällt mir. Meine eigene Karriere profitiert davon, denn die richtigen Leute wissen, dass ich bestimme Stücke produziert oder daran mitgearbeitet habe, aber ich muss nicht selber mit einem Flammenwerfer auf die Bühne raus. Das passt mir sehr gut und bringt Vorteile. Ich bin nicht wirklich gerne im Rampenlicht. Für mich ist es also die ideale Situation, an diesen wirklich großen Platten mitarbeiten zu können, ohne darum viel Wind machen zu müssen. Der Kanye-West-Song, der kürzlich veröffentlicht wurde, ist zum Beispiel in meinem Studio entstanden, aber da mache ich keine große Sache draus. Ich weise nur dezent darauf hin und muss deshalb auch nicht mit Bodyguards und einem verdammten Flammenwerfer rumlaufen.

Der Bass ist immer auch dein Protagonist, oder?

Diese heftigen Kick-Drums waren schon immer das Wiedererkennungsmerkmal meines Drum-Programmings. Außerdem verwende ich sehr seltsam klingende Schlagzeugsounds, die fast schon nach Industrial klingen. Diese zwei oder drei Preset-Kicks und -Snares, die scheinbar jeder immer wieder für jeden verdammten HipHop- und R’n’B-Song verwendet, interessieren mich nicht. Dieser Sound hat sich ganz von selbst zu meinem Markenzeichen entwickelt.

Das klingt oft sehr 80er Jahre lastig, fast schon kitschig…

Ja, stimmt. Das war schon bei der ersten Platte so. Ich bin großer Fan dieser Sounds. Aber ich verwende sie nicht, um absichtlich eine kitschige Atmosphäre zu schaffen. Diese Klänge gefallen mir eben. Mehr steckt da nicht hinter. Es soll nicht ironisch gemeint sein oder so. Ich habe viele Keyboards aus dieser Ära, die für diese Soundästhetik verantwortlich sind.

Du arbeitest so viel mit dem Computer. Bist du eigentlich ein Computernerd?

Ich weiß nicht, ob diese Bezeichnung überhaupt noch existiert. Aber die Antwort ist sicherlich: Nein. Ich bin ganz bestimmt kein technischer Zauberer. Wenn ich mir einen neuen Musikrechner zulegen müsste, dann würde ich zwar die Komponenten selbst zusammenstellen, aber das hat nichts damit zu tun, ein Computernerd zu sein. Ich sitze nicht den ganzen Tag lang vor „World Of Warcraft“ oder so. Und ich gehe auch sonst nicht ständig online und frage: „Wie kriege ich das jetzt hin, und wie mache ich jenes?“ Man entwickelt einfach seine eigene Arbeitsweise mit einer bestimmten Software. Jeder hat seine eigene Methode und seine eigenen kleinen Tricks. Es ist einfach nicht drin, alle Möglichkeiten zu kennen und sich jedes Mal erst einen Kopf darum zu machen, wie man etwas technisch umsetzen kann.

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