Mit seiner „Mute“-Tour kehrt Jan Blomqvist 2025 zurück auf die Bühnen und liefert erneut den Beweis, dass elektronische Musik live alles andere als monoton ist. Seine Mischung aus tiefen Melodien, packenden Beats und echten Instrumenten zieht weltweit Fans in ihren Bann. Von den schwitzigen Kellerclubs seiner Anfangstage bis zu ikonischen Festivals wie dem „Coachella“ und „Burning Man“ hat der Berliner Artist seine ganz eigene Nische geschaffen: elektronische Musik, die unter die Haut geht.
Im Interview spricht Jan über seine Verbindung zu Stuttgart, die Idee hinter Mute und welche Vision er für die Zukunft der elektronischen Musik hat.
Deine Tour heißt ebenso wie dein Album „Mute“ – das klingt nach Stille und einem starken Kontrast zu deiner energiegeladenen Musik. Was bedeutet der Name für dich? Ich finde, „Mute“ ist ein sehr starker Albumtitel. Der Kontrast, von dem du sprichst, besteht für mich nur auf oberflächlicher Ebene. Klar, „mute“ heißt „stumm“ und meine Musik ist das Gegenteil von stumm. Aber ich verstehe „mute“ eher positiv. Wir sind von einem ständigen und brüllenden Rauschen umgeben: Mach dies! Sieh gut aus! Verbessere dich! Erreiche mehr! Kaufe dies! Erlebe das! Schneller, schöner, reicher, aufregender! Dieses Rauschen ist durch die sozialen Medien stark und vielstimmig geworden. Es hat sich längst von außen auf das Innere übertragen. Dieses Rauschen verstummen zu lassen, ist ein rebellischer und befreiender Akt. Er muss sich nicht leise oder stumm vollziehen. Am Ende geht es mir eher um innere Ruhe, Besonnenheit, einen neuen Fokus, einen authentischen Blick auf die Welt, Selbstreflexion. Dieses Thema passt meiner Meinung nach perfekt in die Trilogie meiner Alben: „Remote Control“ „Disconnected“ und nun „Mute“ als Höhepunkt und auch Lösung für die in den ersten beiden Alben beschriebenen Thematiken.
Du spielst im Rahmen deiner Tour auch in Stuttgart – hast du besondere Erinnerungen oder Momente, die du mit der Stadt verbindest? Ich habe tatsächlich sehr viele schöne Erinnerungen an Stuttgart. Vor ungefähr 15 Jahren war ich das erste Mal da, im Climax, einem Technokeller mit so ca. 200-300 Leuten. Es war sehr sweaty und tropfte von der Decke. Es war super. Außerdem hatte ich in Stuttgart eigentlich immer Sold-out-Shows. Ich weiß nicht, woran das liegt. Vielleicht an euch! Insgesamt hab ich bestimmt schon 30 Mal bei euch gespielt, kenne also den Vibe ganz gut. Und der gefällt mir. Genau wie die Leute. Ich habe eine Menge Freunde in Stuttgart, z. B. Marius von „Discotronic“.
Wie fühlt es sich an, nach drei Jahren Solo-Touren wieder mit deiner Band auf der Bühne zu stehen? Ich freu’ mich riesig auf die Tour zusammen. Und dieses Mal hab ich auch richtig Zeit mich zu freuen, weil ich schon zwei Wochen vor Tourbeginn mit meinem Teil der Vorbereitung komplett durch bin. Ich kann mich grade zurücklehnen und mir anschauen, was das Licht-/Visual-Team so auf die
Beine stellt. Ich hoffe, die Tour läuft dann auch so entspannt, wie ich gerade bin und dass es keine bösen Überraschungen auf der Bühne gibt. Das kann man leider nicht zu 100 % ausschließen bei Live-Shows mit mehreren Leuten. Das ist einfacher allein, da kann ich mich auf Eventualitäten viel besser vorbereiten und auch einfacher reagieren. Schauen wir mal. Ich bin gespannt.
Nach fast 1.000 Konzerten weltweit – was ist der größte Unterschied zwischen deinem ersten Auftritt und der „Mute“-Tour 2025? Oh, da gibt es viele Unterschiede. Am Anfang musste ich mich oft in die Venues reinsneaken, weil mich noch niemand kannte. Die Bühnen waren auch ganz anders – kleiner vor allem – und ich war furchtbar nervös und angespannt vor und auch zum Teil während der Gigs. Ich hatte einfach viel weniger Erfahrung in allen Bereichen und die Tracks waren auch noch nicht so gut ausproduziert. Das ist jetzt alles anders. Ich weiß, was ich kann und vor allem auch, was ich nicht kann. Am Anfang habe ich mich deswegen oft übernommen. Jetzt kenne ich meine Grenzen und bin deshalb auch entspannter. Ich muss auch nicht mehr alles perfekt machen, es geht mir mittlerweile viel mehr um einen guten Flow und einer Verbindung zum Publikum. Das macht meine Gigs zu etwas Besonderen, hoffe ich zumindest. 🙂 Diese Verbindung ist heute glücklicherweise einfacher herzustellen. Einfach weil die meisten Menschen auf mein Konzert kommen, um mich zu sehen. Damals in den Clubs waren bei 200 Leuten vielleicht ‘ne Handvoll auch wirklich meinetwegen da. Da hilft dann auch die Nähe zum Publikum nicht immer. Ich glaube, mittlerweile sind es sogar schon 1.200 Konzerte, die ich gespielt habe.
Wie hältst du die Balance zwischen Studioarbeit und den intensiven Anforderungen des Tourlebens? Gibt es Rituale, die dich in stressigen Phasen wieder runterholen? Leider krieg’ ich das momentan nicht so gut hin mit der Balance. Es gibt ja noch mehr Lebensaufgaben als Studioarbeit und Tourleben. Ich hab eine Family, zwei Kinder, mit denen ich Zeit verbringen möchte. Dann bin ich letztes Jahr in die Schweiz gezogen und der Umzug hat einen Rattenschwanz an Organisatorischem mit sich gebracht. Es ist gar nicht so einfach, aus Deutschland wegzuziehen. Das hab’ ich so nicht erwartet. Außerdem hab ich mir einen Miniskus gerissen und konnte dann nicht mehr joggen und meine geliebten Wanderungen in den Bergen machen. Das war auch sehr schwierig, weil ich den Sport für den Ausgleich sehr brauche. Es gibt definitiv Verbesserungsbedarf. Deswegen habe ich jetzt jemanden eingestellt, der darauf achten soll, dass ich nicht zu viele Shows spiele, damit für alles andere mehr Zeit bleibt. Ich möchte weniger Shows spielen und mehr Musik schreiben und Zeit mit Familie und Freunden verbringen. Allein hab ich das bisher nicht wirklich hingekriegt.
Wenn du deine musikalische Reise in einem Satz beschreiben müsstest, wie würde dieser lauten? Von null auf Hundert in 15 Jahren, immer wieder von vorn durch ein Labyrinth aus Höhen und Tiefen, Enttäuschungen und guten Momenten – eine glückliche Reise, die hoffentlich noch lange weitergeht.
Deine Kollaborationen reichen ja von Ben Böhmer bis Seal. Wie entscheidest du, mit wem du zusammenarbeitest und was macht für dich eine gelungene Kooperation aus? Das ist nicht so einfach und leider kein Wunschkonzert. Viele meiner Kollegen sind – genau wie ich – sehr busy. Bei einem Ben Böhmer muss man genau den Moment abpassen, wenn er Zeit hat. Das ist oft nicht so einfach und ein bisschen wie Lotto spielen. Wir fragen ständig Leute an und ab und an passt es. Bisher ist es auch noch nicht gelungen, mit dem gleichen Artist eine zweite Kollabo zu machen. Das sagt meiner Meinung nach schon viel aus zu dem Thema Zusammenarbeit.
Gibt es einen Act, mit dem du in Zukunft unbedingt zusammenarbeiten möchtest?
Ich würde super gern mit Rufus zusammenarbeiten, mit Adriatique natürlich, super spannend wären auch Billie Eilish oder Björk. Ich arbeite auch immer noch an einem Stephan-Bodzin-Release. Da bin ich leider noch immer nicht wirklich weitergekommen. Hoffentlich klappt das noch. Thom Yorke muss ich auch noch nennen. Damon Albarn natürlich. Dann hätte ich momentan auch Bock auf Rap, Eminem natürlich. Ich belaber’ Estikay die ganze Zeit, dass er mal einen Rapsong für mich schreibt. Clueso steht auf meiner Liste. Mit dem habe ich sogar schon mal etwas angefangen. Aber das ist irgendwann versandet, weil wir beide keine Zeit mehr hatten dafür. Mit Ben Böhmer würde ich auch gerne wieder etwas machen. HVOB hab ich schon vor längerem angefragt. Ich hoffe, sie haben mal Zeit für mich. Das sind die Musiker, die mir ad hoc einfallen. Aber die Liste ist erweiterbar. Es gibt so viele tolle Musiker.
Wenn du dir einen Wunsch für die elektronische Musikszene erfüllen könntest, welcher wäre das? Vieles kann gerne so bleiben, wie es ist. Die Szene ist sehr entspannt und happy, wenn man das zum Beispiel mit der Heavy-Metal-Szene vergleicht. Es wird nicht so viel getrunken, alle tanzen sehr gern. Im Großen und Ganzen finde ich den Vibe toll. Natürlich wünsch’ ich mir weniger Homophobie, weniger Sexismus, mehr Toleranz und ich würde mich über mehr Handy- bzw. Kameraverbote freuen. Dieses ständige Filmerei finde ich anstrengend und sinnlos. Partys und Konzerte direkt zu erleben und nicht durch die Kameralinse ist doch viel schöner!
© Bild: Christian Dammann
Info: Jan Blomqvist
Mute Tour 2025
29.01.2025 ab 20 Uhr
Im Wizemann
Tickets: 40,55 Euro
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