Nachdem die Stadt Stuttgart dem „Eagle“ Anfang des Jahres eine „Gefahr für die Sittlichkeit“ nachsagte, entschuldigte sich der Oberbürgermeister Fritz Kuhn vier Tage später für diese Bemerkung. Das Lokal in der Mozartstraße bleibt aufgrund strenger Auflagen vorerst bis Mitte Januar geschlossen. Anschließend wird der Barbereich wieder eröffnet – der Darkroom bleibt allerdings zu.
Wegen eines Pächterwechsels war das Eagle in den Fokus der Gaststättenbehörde geraten. Nun darf „der Neue“, Rolf Steinacker, den Betrieb nur ohne Musik, Nacktheit und sexuelle Handlungen weiterlaufen lassen, für Verstöße sind hohe Strafgelder vorgesehen. In Anbetracht des Eagle-Konzeptes sei der gewohnte Betrieb so schlicht und ergreifend nicht möglich, betont Steinacker.
Er selbst war jahrelanger Stammgast in der Schwulenbar, die nun über 30 Jahre einen sicheren Treffpunkt für Homosexuelle aller Altersklassen bot. Nachdem der vorherige Pächter Heinz den Laden altersbedingt aufgeben musste, stand fest, dass Rolf sich der Sache annehmen wollte. Zu diesem Zeitpunkt wusste der Produktionsleiter in Film- und Fernsehserien noch nicht, welcher Aufwand auf ihn zukommen würde.
„Durch Onlineportale wie Tinder, PlanetRomeo und Grindr gibt es ohnehin schon weniger Schwulenbars. Das Eagle ist eine Traditionskneipe, ein Treffpunkt für Alt und Jung. Hier kommen Männer aus allen Gesellschaftsschichten her.“ beschreibt der 60-Jährige die Lage.
Laut Steinacker gab es in den bisherigen 30 Jahren Betrieb nie Beschwerden. Von außen sei die Bar unauffällig, da drinnen geraucht werde, würden sich keine Menschenansammlungen vor der Türe bilden. „Die Schwulen sind sehr diskret und verschwinden einfach im Eagle, ohne sich davor aufzuhalten. Vor allem die ältere Generation legt teilweise großen Wert darauf, nicht unbedingt gesehen zu werden.“
Auch wenn ihm das Eagle am Herzen liegt, kann er die Sichtweise der Stadt in gewisser Weise nachvollziehen. Das Eagle sei zum einen für die meisten Politiker und Beamten ein Mysterium, zum anderen liege es in einem Wohngebiet. Die Anwohner und Wohnungskäufer sollen selbstverständlich nicht gestört werden. Nur – werden sie das? „Die Reaktion der Stadt ist jedenfalls nicht als homophober Angriff zu verstehen“, steht für Steinacker fest.
Bleibt nur zu hoffen, dass Stadt und Pächter einen gemeinsamen Weg finden, wie das Eagle weiter bestehen kann. Der Fortbestand ist sowohl für die Stammgäste als auch für das Gesamtbild einer vielfältigen und offenen Stadt wichtig. Durch die Schließung von Schwulenbars werden den Homosexuellen sichere und zentrale Treffpunkte genommen, was für alle Betroffenen negative Auswirkungen haben kann.
„Das Eagle ist keine Stricherbar!“ so Steinacker. „Die Leute kommen rein, trinken ein Bier an der Bar und spielen Billard. Wenn du jemanden gesehen hast, der dir gefällt, nimmst du Blickkontakt auf und gehst nach hinten Richtung dunkel und hoffst, dass derjenige mitkommt. Kann aber auch sein, dass der einfach nur zwei Bier am Tresen trinken will und sich dann wieder auf den Weg macht.“
Der Darkroom im Eagle ist einer der wenigen in Stuttgart und wird von der Stadt seit zehn Jahren besteuert. Einen Dresscode gibt es nicht, nur ein Mal im Monat veranstaltet der „Lederclub“ einen Abend im eigenen Interesse: Eintritt nur im Fantasy-, Fetisch- oder Lederoutfit. Ansonsten darf eigentlich jederMANN dem Eagle einen Besuch abstatten. „Nur wenn jemand aggressiv oder zu betrunken ist, lassen wir ihn nicht rein. Und natürlich niemanden unter achtzehn.“ erklärt Steinacker. „Wir überlegen außerdem, das Eagle einmal in der Woche auch für Frauen zugänglich zu machen. Vor allem seit der unglaublichen Unterstützung, die wir in den letzten Tagen bekommen haben – eben auch von vielen Frauen – hat sich dieser Gedanke gefestigt.“
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