Bei unserem „Streifzug“ entdecken wir für euch neben den bekannten, auch die auf den ersten Blick versteckten Hausnummern Stuttgarts schönster Straßen.
Mit der Calwer Straße streifen wir diesmal durch Stuttgarts Mitte. Man könnte jetzt sagen, ja okay, ist ja alles Mitte vom Rotebühl- bis zum Charlottenplatz, aber nein, die Calwer Straße ist DIE Mitte. Mehr Mitte geht nicht. Sagt zumindest DER digitale Kartendienst. Und der weiß schließlich vom Lieblingsitaliener bis zur naheliegendsten Paketstation über so gut wie jeden Platz Bescheid.
Lang drum herum geredet, am Anfang (oder Ende?) der Calwer Straße ist der „geographische Mittelpunkt Stuttgarts“. War uns auch neu, aber wenn es den gibt, dann ist er genau hier. Vielleicht steht da ja bald auch ein realer Hinweis. Vielleicht sogar ein Denkmal oder irgendwas mit Kunst. Oder es spendet jemand seine Skulpturen. Oder quadratische Steine. Vielleicht nimmt man aber auch einfach das, was schon da ist und macht die Straße zum Denkmal, ein kleiner Teil hat es ja immerhin schon dazu gebracht.
Verdient hätte es die hübsche Straße mit den bunten Häuschen jedenfalls. Und nicht erst seit dem Fluxus. Dass hier noch bis 1976 Autos gefahren sind und die Außenbereiche statt geordneten Stuhlreihen Parkplätze beherbergten, war schon längst vergessen, als die Passage ihren zweiten Frühling erlebte. Ob damals wohl auch alle so große Angst um ihre Stellplätze hatten? Auf die Idee von Parklets ist damals wahrscheinlich noch keiner gekommen. Da brachte die S-Bahnstation den Startschuss. Auch ein Konzept.
Die Tüten bepackten Flaneure, Anzug tragenden Business-Luncher, Kinderwagen schiebenden Cappuccinoschlürfer, Nachrichten tippenden Sociallifer, Schorle trinkenden Nachtschwärmer (alles mit „Innen“ hinten) und Menschen, die die Calwer Straße einfach nur durchkreuzen, um schnell und entspannt von A nach B zu kommen, sind jedenfalls weitaus angenehmere Straßenfüller, als die einstige Blechkarawane. Da sind sich wohl selbst der pedantischste Fahrradanhänger und der leidenschaftlichste PS-Prolo einig. Auch wenn einem eine vierreihige Rentner-Mauer vor den Füßen manchmal die dunkelsten Flüche auf die Lippen legen kann – trotzdem gut.
Müsste man sich mal für eine Straße entscheiden, die man nicht mehr verlassen darf (passiert bestimmt mal), wäre die Calwer Straße jedenfalls nicht die schlechteste Wahl: Für jeden Tag der Woche ein anderes hübsches Kaffee, in dem man seinen morgendlichen Kaffee trinkt. Mittags durch die kulinarischen Genüsse von Bangkok über Bayern bis Istanbul schlemmen und vom Blumenstrauß bis zum Knopfladen alles da, was man braucht oder einmal brauchen könnte. Eine schier endlose Weinauswahl von exorbitant bis erschwinglich und obendrauf noch Abendunterhaltung und Tanzgesellschaft bis in den frühen Morgen hinein.
Klingt gar nicht so schlecht. Und in letzter Zeit scheinen sich das ja einige gedacht zu haben. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein neuer Laden seine Türen öffnet. Man sollte zwar im ganzen Freudentaumel nicht vergessen, dass dafür auch immer erstmal ein anderer schließen musste. Am Ende ist aber eben alles irgendwie temporär.
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