Interview Wortwechsel

WORTWECHSEL:
Lehmann X Kowalski X Rosenau

Wortwechsel Kowalski Lehmann Rosenau

Statt klassischem Interview lassen wir die Protagonisten bei unserem Wortwechsel selbst die Fragen stellen. Gastronomie und vor allem Nachtclubs und Kultureinrichtungen hat es in den vergangenen Monaten schwer getroffen. Ein Teil davon darf zwar mittlerweile unter Auflagen wieder öffnen, doch von Normalbetrieb kann keine Rede sein. Mit dieser ungewissen Zukunft steht für viele Betriebe nicht weniger als die eigene Existenz auf dem Spiel. In unserem Wortwechsel haben sich Theresa von der Rosenau, Basti vom Club Lehmann und Sascha vom Kowalski darüber ausgetauscht, wie sie diese Zeit empfinden und wo sie Perspektiven sehen.

Basti: Was passiert in der Rosenau gerade? Was könnt und dürft ihr aktuell machen?

Theresa: Anfangs haben wir Veranstaltungen mit dreißig Menschen gemacht und jetzt sind wir bei sechzig bis siebzig Personen. Normalerweise passen aber hundertfünfzig Besucher rein. Wir achten darauf, dass die Gäste den Abstand einhalten und ihre Masken tragen. Da wir während der Veranstaltungen Service haben, muss man aber nicht aufstehen, außer um auf die Toilette zu gehen.

Basti: Aber das reicht wahrscheinlich hinten und vorne nicht, oder?

Theresa: Es geht eher darum, dass etwas passiert. Lohnen tut sich das nicht wirklich.

Basti: Für mich fühlt es sich so an, als wäre es draußen schon okay, wenn etwas stattfindet, weil da ja weniger passieren kann. Jetzt geht es aber darum, eine Zulassung zu bekommen, dass das auch drinnen stattfinden kann. Wir haben sehr unterschiedliche Betriebe – bei mir im Club würden Maske und Abstand nicht funktionieren. Ich weiß, dass die Reise für viele in diese Richtung geht, aber ich frage mich, was man macht, wenn man dafür keinen Back-up-Plan hat.
Mein Vermieter ist mir entgegengekommen und und wir haben ein Sonderkündigungsrecht, dass jeder bis Mitte nächsten Jahres aus dem Vertrag kommt, wenn es noch einmal losgehen sollte. Sollten wir bis dahin keine Perspektive haben, lassen wir es. Das bereitet mir große Sorgen.

Sascha: Ich zahle ganz normal meine Miete. Klar, ich habe auch nicht die gleiche Miete wie Basti zum Beispiel, aber bei uns geht es auch um andere Dinge.

Theresa: Wir werden als soziokulturelles Zentrum gefördert. Wir haben Soforthilfe und Kurzarbeitergeld bekommen und bekommen Unterstützung von der Stadt Stuttgart.

Sascha: Ich bin fast sicher, dass auch der Bund irgendwann sagt, dass es nun gut ist. Du kannst nicht unendlich Geld reinpumpen, daher brauchen wir eine andere Lösung.

Basti: Ja, ansonsten stehen wir am Ende da und haben nur noch diese „Rich-People-Lokalitäten“. Dann sieht unsere Subkultur nicht mehr so aus wie hier. Wie lange werdet ihr durchhalten?

Theresa: Jetzt gerade sind wir safe, dass wir bis Herbst durchkommen und wenn wir weitermachen können, dann bekommen wir das hin. Aber wenn im Herbst nochmal alles zugemacht wird, dann…

Basti: Jetzt fahren alle in den Urlaub und wenn die Leute heim kommen, gibt es eine zweite Infektionswelle. Dann wird alles wieder zurückgefahren wie in Österreich, Israel, Serbien oder den Balkanländern. Wenn dann alle Lockerungen wieder rückgängig gemacht werden, wäre das für uns super dämlich. Wir haben ein Konzept geschrieben, wie man vorgehen könnte, wenn die Partys auch wieder drinnen stattfinden sollen. Es geht einfach darum, dass wir eine neue Normalität haben und irgendwie damit leben müssen.

Sascha: Ich finde es ein bisschen schwer nachzuvollziehen, was man darf und was nicht. Ich weiß, man darf keine laute Musik machen – was ist aber laute Musik? Ist das ‘ne Hifi-Anlage oder darf ich auch etwas lautere Musik machen, wenn die Leute nicht tanzen?

Theresa: Gibt es die Regelung, damit die Leute nicht tanzen?

Sascha: Ich glaube, dass der Hintergrund ist, dass die Menschen gar nicht erst animiert werden und mit einem höheren Alkoholpegel dann völlig durchdrehen. Die Leute sind schon sehr cool hier, aber ab halb zwei renn’ ich schon rum. Man merkt dann schon, dass sie mal an ihrem Platz aufstehen oder anfangen zu schunkeln.

Theresa: Und wie viel ist los? Wie oft habt ihr offen?

Sascha: Hier unten haben wir Freitag- und Samstagabend von zehn bis um drei und Sonntags von siebzehn bis um zehn Uhr geöffnet.

Basti: Ihr habt halt auch einen Außenbereich.

Sascha: Natürlich, das ist das, was uns rettet!

Basti: Ja, es ist auch vom Publikum schwer. Das Publikum bei uns will feiern und wenn ich dem sagen würde, es muss sitzen, würde uns das auch nicht entsprechen. Das geht nicht und ich weiß auch, dass die Leute etwas anderes erwarten würden, wenn sie zu uns kommen.

Sascha: 80 Prozent der Menschen, die gerade zu uns kommen, sind keine Gäste vom Club. Einen kleinen Teil habe ich schon mal gesehen, aber die Menschen, die wirklich etwas anderes erwarten, gehen auch da hin, wo es das gibt, also zum Beispiel auf die illegalen Raves.

Theresa: Mann muss nur einmal durch die Weinberge laufen.

Sascha: Ja, oder am Neckar entlang.

Theresa: Macht ihr Werbung für eure Terrasse?

Sascha: Ja, über Instagram und Facebook. Wir haben jetzt auch ein Reservierungstool installiert, das übrigens mega läuft. Wir haben jetzt quasi einen Restaurantbetrieb ohne Essen: Oben gibt’s einen Foodtruck und an den anderen Tagen kann man sich etwas bestellen. Sonntags machen das fast alle Tische, dann hat hier jeder etwas anderes zu essen.

Basti: Ein traditioneller bayerischer Biergarten!

Sascha: Das ist so entzückend, da hätte man eigentlich früher drauf kommen sollen.
 

 
Theresa: Und was habt ihr für Rückmeldungen von euren Stammkunden?

Basti: Ich lebe gerade nach dem Motto „Mach dich rar, sei ein Star“ und wir machen medial momentan nicht viel. Wenn wir Content machen, wollen wir, dass der gut ist und auch ein paar Reaktionen hervorruft. Ohne Außenbereich ist es gerade schwer etwas zu machen. Ich hatte ja mal an „Basti Pizza“ gedacht.

Sascha: Im Herbst kann ich mir das schon gut vorstellen, dass du drinnen ein richtiges Trash-Ding aufbaust. Ich merke hier, dass die Leute für etwas Neues bereit sind.

Basti: Im Herbst können wir dann noch mal drüber reden, wenn wir wissen, was Sache ist. Wir haben auch viele Ideen und normalerweise auch unsere Vernissage.

Theresa: Bei Ausstellungen gelten ja andere Auflagen, die Möglichkeiten da sind ganz gut.

„Es geht darum, dass wir eine neue Normalität haben und irgendwie damit leben müssen.”

Basti: Basti: Als das angefangen hat, dachte ich mir noch – wie die meisten wahrscheinlich – wir machen zwei Monate low und dann wird es weiter laufen. Dann kamen immer mehr Informationen und inzwischen weiß ich nicht, ob es überhaupt noch weitergeht. Ich war ein bisschen erschrocken und erbost, dass von der Stadt erst gar nichts in Sachen Eigeninitiative kam, sondern erst nachdem das ClubKollektiv und verschiedene Vereine Druck gemacht haben. Auch, dass die Krawalle in Stuttgart so falsch dargestellt wurden.

Sascha: Ja, das hat sich durch Corona so entwickelt, weil jetzt alle am selben Platz sind. Das hängt auch extrem damit zusammen, dass die Nachtgastronomie gerade nicht existiert.

Theresa: Das sind dann auch nicht 500 Pöbler in einem Club, das ist durchmischt mit anderen Leuten. Normalerweise haben wir viel Publikum von außerhalb, aber ich glaube viele Leute wollen daher gerade Freitagoder Samstagabend auch nicht mehr unbedingt in die Innenstadt.

Sascha: Die Leute wollen in die Stadt, aber es wäre schön, wenn man auch außerhalb wieder etwas machen könnte. Ein ganzes Areal mit zwei bis drei Clubs und ein bisschen Kultur, ein paar Restaurants und Kneipen, ein großer Parkplatz, S-Bahn …
 

 
Basti: Seit das mit der Theo los ging, hat sich alles in die Innenstadt verlagert.

Theresa: Wenn es mal etwas gibt, wo Leute aufeinandertreffen wie bei den Wagenhallen und der Containercity, dann macht man es halt platt. Wir haben jetzt das ClubKollektiv mit der City-Initiative und anderen Akteuren zu einer Allianz für ein sicheres und lebendiges Stuttgart zusammengeschlossen und überlegen zum Beispiel, was man in der Schulstraße machen könnte.

Sascha: Jetzt vor der Wahl hängen sich in der Politik alle ein bisschen daran, unsere Interessen zu vertreten – aber das ist vor der Wahl immer so. Davor wollen sich alle vorstellen, aber danach hört man nichts mehr davon. Ich glaube, dass die Wählerschaft dafür zu klein ist. Die Menschen über fünfzig interessieren sich einfach zu wenig für dieses Thema.

Theresa: Die Frage ist auch, ob überhaupt noch Künstler da sind, wenn wir wieder aufmachen dürfen. Viele sind ja selbstständig und haben nichts bekommen, da gehen einige in ihre alten Jobs zurück. Sie haben am Anfang einmal Soforthilfe gekriegt und können nicht in Kurzarbeit.
 

 

Vielen Dank an unseren Fotografen Ronny!

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